PRAXIS: FUSSBALL IST FANSACHE

EMOTIONEN IM ABSEITS

Auch nach der WM-Schlappe von Russland ist Fußball für viele in Deutschland die schönste Nebensache der Welt. Mit Maximilian Gödecke wollen wir die Akteure neben dem Rasen beobachten. Er steht nicht nur mit dem Tele am Spielfeldrand, sondern mischt sich auch immer wieder unter die Fans.

ANONYMITÄT ALS STILMITTEL
Diese Aufnahme ist während des zweiten Spiels entstanden, bei dem Gödecke die Union-Fans mit der Kamera begleitet hat. Es ging für die Berliner gegen Kaiserslautern. Für den Fotografen hat dieses Bild eine besondere Bedeutung, zeigt es doch die Vielschichtigkeit der Fans, die sich durch alle Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten bewegt. Der Verzicht auf die Gesichter drückt für ihn eine gewisse Anonymität aus und kann durchaus als Stilmittel verstanden werden. “Wenn ich mit den Menschen ins Gespräch komme, schicke ich ihnen die Bilder natürlich gern per E-Mail zu”, meint Gödecke. Meist sind die Reaktionen der Fans positiv, was aber auch damit zu tun hat, dass er unter ihnen mittlerweile bekannt ist. // f/2,2 / 1/1.000 s / ISO 1.250

SYMMETRISCHE STRUKTUREN
Emotionen spielen in den meisten Bildern Gödeckes eine wichtige Rolle, auch hier, bei seinem ersten Spiel für den 1. FC Union Berlin. “Es war ein tolles, ein packendes Spiel, aber leider haben wir verloren.” Der Hauptakteur vorn ist in sich gekehrt, drückt die Emotionen aus. Doch diese wirken erst richtig, wenn der Bildaufbau stimmt. Gödecke lernt von seinen großen Vorbildern aus der Reportagefotografie. Er schult seinen Blick, indem er sich viele Bilder “alter Meister” ansieht. // f/2,2 / 1/250 s / ISO 800

EMOTIONEN
Dieses Bild ist während einer taktischen Situation – einer Ecke – entstanden. Es gibt die Gefühle der Fans wieder. In solchen Situationen verfolgt Gödecke nicht das spannende Geschehen auf dem Platz, sondern beobachtet die Zuschauer. “Mit der Zeit bekommst du ein Gefühl dafür, wo sich packende Momente im Bild festhalten lassen.” Um dem Bild den so wichtigen Vordergrund zu geben, hat Gödecke das Geländer ins Bild genommen und die Kameraposition so gewählt, dass die Linie positiv ansteigend – von links unten nach rechts oben – verläuft. // f/2 / 1/1.000 s / ISO 1.000

AUTHENTIZITÄT
Die Bilder wirken authentisch: Da ist der Junge auf den Schultern seines Vaters, der sich zufällig umdreht und den Fotografen entdeckt. Die Aufnahme hat allen Beteiligten so gut gefallen, dass der Vater mit seinem Sohn gleich noch ein paarmal an Gödecke vorbeilief, um das perfekte Bild zu ermöglichen. Von ihrer Authentizität verliert die Aufnahme dadurch nichts. // f/2,8 / 1/2.000 s / ISO 250

ÜBERBLICK BEHALTEN
Ein bisschen Glück gehört natürlich auch immer dazu. Die erhöhte Position hat der Fotograf wegen der spannenden Perspektive gewählt. Dass ein Fahnen schwenkender Fan den direkten Blick zu ihm aufnimmt und in diesem Moment genau das Richtige macht – sich dem Fotografen öffnet und mit seinen Fahnen das Geschehen einrahmt –, ist für Gödecke ein echter Glücksfall. Einen solchen Moment muss man erkennen und dann abdrücken. Eine zweite Chance für solch eine Aufnahme bekommt man nur selten. || f/2 | 1/100 s | ISO 2.000

Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 11/2018.

MAXIMILIAN GÖDECKE

© Maximilian Gödecke

1995 in Berlin geboren, begleitet er den 1. FC Union Berlin im eigenen Stadion und zu Auswärtsspielen seit 15 Jahren. Seit rund zwei Jahren ist auch seine Fujifilm X100S mit dabei. Gödecke hat ein ganz besonderes Gespür für emotionale, manchmal auch intime oder entlarvende Momente abseits des eigentlichen Spielgeschehens. Das überlässt er lieber den Sportfotografen am Spielfeldrand. “Beim Fußball gibt es so viel mehr zu erleben als das Spiel”, meint Gödecke, der seinen Blick geschärft hat für die Menschen auf den Rängen und Tribünen oder im Sonderzug auf dem Weg zum nächsten Auswärtsspiel. Seine Bilder zeigen facettenreich die eigentlichen Helden des Spiels. www.max-goedecke.de

Fotos: Maximilian Gödecke
Autor: Tobias F. Habura