SERIE: VIDEODREH FÜR FOTOGRAFEN, TEIL 1

Ein Canyoningretter der Wasserwacht Grainau seilt sich in der Kuhflucht ab, einem der höchsten Wasserfälle Deutschlands. Mit dabei: eine Filmkamera auf einem sogenannten Gimbal. © Jörg Jovy

UND ACTION: DIE BEWEGTE KAMERA

Wir leben in bewegten Zeiten. Und deshalb ist Bewegung im Film fast so etwas wie das Stilmerkmal schlechthin. Kameras fliegen heute mit Kugeln und schweben mit Skispringern ins Tal, sie schwimmen mit dem Weißen Hai und laufen mit dem Leichtathleten Usain Bolt die 100 Meter in 9,58 Sekunden. Tipps und Tricks vom Profi.

© Jörg Jovy

Die ruhige, statische Kameraaufnahme vom Stativ gehört zwar nicht der Vergangenheit an, aber sie ist auf dem Rückzug. Selbst Interviews werden heute oft im Laufen geführt. Wann immer es geht, sollten sich das Bild und damit die Kamera bewegen. Das statische Filmbild gehört spätestens seit Tom Tykwers Meisterwerk “Lola rennt” zum alten Eisen.

In den 90er-Jahren nahm der Film enorm Fahrt auf, schnelle Schnitte und rasante Kamerafahrten prägen seitdem Fernsehen und Kino. Für Fotografen eine echte Aufgabe, denn die bewegte Kamera stellt sie nicht nur vor technische Herausforderungen, sonder auch die Handhabung ihres Werkzeuges und die Gestaltung der Bilder will neu erlernt werden.

Der Thumb-Controller ermöglicht die Steuerung von Gimbal und Kamera während der Aufnahme. Bei den Einarm-Gimbals liegen die Knöpfe zum Ein- und Ausschalten der Kamera sowie der kleine Joystick (oder Kreuzwippe) zum Korrigieren der Blickrichtung in der Regel im Arm; bei den Zweiarm-Gimbals braucht man einen frei montierbaren Controller, der sich per Bluetooth mit dem Gimbal verbindet. © Jörg Jovy

Die hohe Kunst des Kameramannes
Ein Filmbild ist immer rechteckig, meist im Verhältnis 16:9. Und es kommt fertig zugeschnitten aus der Kamera. So, wie es aufgenommen wurde, wird es auch gezeigt. Ein nachträglicher Zuschnitt wie in Lightroom findet im Film in der Regel nicht statt. Zwar kann man sich auch im Schnitt behelfen, indem man etwa mit einer 4KAuflösung dreht und in 2K ausstrahlt. So bleibt die Möglichkeit, den Ausschnitt nachträglich zu verändern oder sogar verschiedene Kameraperspektiven zu simulieren, aber im Prinzip wird das Filmbild bereits bei der Aufnahme kadriert, also im Bildausschnitt festgelegt.

Wer es gewohnt ist, das Motiv in der Mitte zu platzieren und nachträglich an die richtige Stelle zu rücken, muss beim Filmen umdenken. Das gilt aber nicht nur für eine statische Einstellung. Bewegt sich die Kamera mit dem Motiv, muss die Kadrierung auch während der Szene passen. Wer sein Motiv aus dem Blickfeld verliert, zerstört in der Regel die Aufnahme.

Oben: ein komplettes Rig aus Komponenten verschiedener Hersteller für eine Alpha 7. Mit externem Monitor, Stromversorgung, Schärfezieheinrichtung, Aufstecklampe und Kompendium. Unten links: die extreme Stromversorgung mit großem Akku und Outputs für diverse Geräte. Unten rechts: Die Schärfezieheinrichtung greift in einen Zahnkranz, der an Fotoobjektiven angelegt werden kann. © Jörg Jovy

Der perfekte Ausschnitt erfordert hohe und permanente visuelle Kontrolle. Dabei muss der Kameramann das Bild schnell und intuitiv erfassen können, gleichzeitig aber auch das Geschehen um ihn herum im Visier haben. Der Blick durch den Sucher einer Systemkamera oder auf ein 3 Zoll großes Display reicht meistens nicht aus, um Schärfe und Kadrierung sicher zu beurteilen.

Kameraleute lieben große Monitore, die verlässlich darüber Auskunft geben, was die Kamera gerade auf die Speicherkarte schreibt. Gleiches gilt für den Ton. Wenigstens eine Pegelanzeige sollte gut sichtbar im Display darüber informieren, ob überhaupt Ton aufgenommen wird und wenn ja ob in passender Lautstärke.

Auf dem Querarm lässt sich Zusatzausrüstung montieren, ohne die Motoren des Gimbals zu belasten. © Jörg Jovy

Kamerafahrten sind keine Zufallsprodukte
In einfachen Fällen folgen Kameraleute der Bewegung des Motivs möglichst im gleichen Abstand, um Unschärfe zu vermeiden. In den häufigeren und komplizierteren Fällen erzählen die Fahrten jedoch eine eigene Geschichte. Sie verdichten eine Szene, indem sie sich auf das Motiv zu bewegen, oder setzen eine Person in eine Beziehung zu ihrer Umwelt. Damit ändern sich häufig Schärfepunkt und Belichtung während der Aufnahme, möglicherweise sogar die Brennweite. Darauf muss der Kameramann reagieren, die Schärfe nachziehen, die Blende korrigieren und die Brennweite verändern. All das möglichst so, dass es der Zuschauer später nicht merkt – also stufenlos, ohne Blendensprünge, ohne einen pumpenden Autofokus auf der Suche nach der richtigen Schärfe und ohne ruckelnde Zooms.

Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 11/2018.

DIGITAL FILMEN

Unser Autor Jörg Jovy hat ein Buch zum Thema Digital filmen beim Rheinwerk-Verlag veröffentlicht.
ISBN: 978-3-8362- 4513-5
Preis: 39,90