Kamera statt Smartphone

DIE FOTO-VORSCHULE

Bilder gehören heute für Kinder von klein auf zum Alltag. Doch irgendwann wird es Zeit, das Handy-Display gegen einen echten Auslöser zu tauschen: Was man bei Ferien im Allgäu über Kinder und ihre erste Kamera lernt.

Paaapaaaaa! Ich kann vor lauter Sonne nichts sehen!“ Lang hat mein Sohn die Sony RX0 II noch gar nicht in den Fingern, doch die Tücken der digitalen Fotografie schlagen direkt zu, freundlichem Urlaubswetter sei Dank. Denn das Problem ist so alt wie die erste Kamera mit Display: Bei gutem Wetter sieht man draußen wenig bis gar nichts auf dem Monitor, da hilft nur ein Sucher. Einmal vom Bilder-Enthusiasmus gepackt, lässt sich der Nachwuchs jedoch nicht ernsthaft aufhalten – da wird im Zweifel auch der Monitor nah ans Auge gepresst. Eine Art Reflex? Oder Nachahmen dessen, was man bei Papa seit sechs Jahren sieht?

Eigentlich egal, denn mit der Technik zu spielen und selbst Lösungen zu finden, ist das Beste, was beim ersten Zugang zur Kamera passieren kann. Bloß: Man braucht auch Hardware, die das mitmacht. Klar, man kann jemandem, der im Sommer in die Schule kommt, auch einen VollformatBoliden mit Festbrennweite in die Hand drücken, ohne dass man gleich die horrende Reparatur vor Augen hat. Aber der Autonomie, die ein Sechsjähriger ausleben möchte („Ne, ich mache das!“), kommt man damit nicht entgegen.

Bei jemandem, der gerade dem Kindergarten entwächst, und am liebsten überall selbst Hand anlegen möchten, muss die Technik schon ein bisschen mehr aushalten. Nach einem kurzem Boom ist der Markt für so genannte „Tough“-, „Rugged“- oder „Outdoor“-Kamera jedoch zusammengeschmolzen wie Schokoladeneis in Kinderhänden. Ricoh und Olympus bieten noch ein wasser- und stoßfestes Modell an (siehe nächste Seite), bei Sony hat die RX0 II eine Charakteristik, die zu ungestümen Abenteurern passt: „Sie muss nicht vor Regen oder Getränken geschützt werden“, vermerkt das Datenblatt und lässt Eltern ruhiger schlafen. Dass sie Stürze von 2 m Höhe ebenso übersteht wie Bruchbelastungen von 200 kg macht sie zur heißen Kandidatin für einen gemeinsamen Ausflug ins Allgäu.

Vorteile von Sonys Mini-Quader

Diese Details interessieren den Sechsjährigen freilich nicht. Bei ihm punkten andere Dinge: Der schwarze Quader von Sony hat etwa das Maß von zwei dicken Duplo-Steinen und lässt sich für kleine Hände problemlos halten, auch den Auslöser an der Oberseite können Kinderfinger locker erreichen. Dass dabei immer mal kleine Flossen vor dem Objektiv landen – Nebensache. Dafür begeistert das Display; es misst zwar nur 3,8 cm lässt sich aber komplett nach oben ausklappen – ideal für Selfies! – und man kann es um bis zu 90 Grad nach unten neigen. Weiteres Plus: der Autofokus. Obwohl die Kamera schon vier Jahre alt ist, arbeitet er schnell, die Gesichtserkennung funktioniert sicher. An vielen Stellen bleibt es schon Herausforderung genug, mit dem Vorschulkind in Ruhe nach dem Motiv zu schauen; müsste man da noch auf einen zögerlichen AF warten, würde der Spaß arg ausgebremst.

Während die wenigen Miniaturtasten der RX0 II durchaus das Zeug hätten, einen schwer nervös zu machen, erweist sich die Reduktion für den Nachwuchs als hilfreich. Jeder Knopf, der sich noch drücken ließe, wäre nur zusätzliche Ablenkung. So beschränkt es sich auf Auslösen und
Rückschau. Das Gleiche gilt für den Minimalismus, für den Sony beim Objektiv votiert hat: Die Brennweite liegt fest bei 24 mm, die Blende des Zeiss-Objektivs ist auf f/4 fixiert. Das klingt nach Beschnitt bei den Gestaltungsmöglichkeiten, doch als erste Kamera fürs Kind ist‘s hilfreich:
Man lässt die Technik erstmal links liegen, konzentriert sich aufs Motiv und gestaltet den Bildausschnitt per Fuß-Zoom.

Ohnehin wäre angesichts des 1 Zoll großen Sensor keine derart markante Gestaltung per Blende möglich. Von Nahaufnahmen abgesehen, ist der Schärfebereich stets weit. Doch der Sensor ist groß genug, um die Bildqualität deutlich über die eines Smartphones zu heben. Vor allem Papa
lupft die Augenbraue, denn die winzige Kamera produziert überaus respektable RAW-Dateien. Der Dynamikumfang ist solide und das Rauschverhalten beeindruckt, selbst ISO 6.400 bereitet wenig Bauchschmerzen. Gut so, schließlich pfeifen Kinder darauf, ob‘s im Kuhstall eigentlich „zu dunkel“ ist.

Fazit

Bei meinem Sohn war der erste Urlaub mit eigener Kamera ein voller Erfolg. Die Freude am Fotografieren weiterzugeben klappt früh. Was Technik und Motive betrifft, hilft eine maximale Reduktion – auch, was den eigenen Anspruch fotoaffiner Eltern angeht („hüstl“). Die Sony RX0 II hat sich unter diesen Gesichtspunkten als exzellente Wahl erwiesen, ist jedoch mit über 600 Euro durchaus kostspielig. Schön wäre es zudem, Sony würde ein Update mit Bildstabilisator vorlegen.

Text: Sebastian Drolshagen Fotos: Leo & Sebastian Drolshagen