MIT ODER OHNE?
Das spiegellose Vollformat ist auch bei Canon angekommen. Müssen Spiegelreflexfotografen jetzt wechseln? Wir rufen zum Schwesterduell zwischen der neuen EOS R und der etablierten EOS 6D Mk. II.
Canon hat sich lange Zeit gelassen, doch nun ist die spiegellose Vollformat-EOS da – mit großem Bajonett, verkürztem Auflagemaß und pfiffigen Adaptern für viele Millionen EF-Objektive. Man könnte fast meinen, Canon und Nikon hätten sich abgesprochen. Beide setzen auf Kontinuität in der Formsprache und Bedienung ihrer neuen Modelle – wenngleich Canon ein paar Modifikationen und ein neues Werkzeug untergebracht hat -, und beide wollen ihre Spiegelreflexnutzer nicht vergraulen.
Dabei haben die Adapter noch einen sehr nützlichen Nebeneffekt: Von Anfang an steht den EOS-R-Fotografen ein mächtiger Objektivpool zur Auswahl, und sie können die EOS R als neuen Body für ihr bestehendes Spiegelreflexsystem anschaffen, noch bevor sie ganz auf die moderne Kameratechnik umsteigen. Apropos umsteigen, müssen DSLR-Fotografen nun mit einem Preisverfall ihres Systems rechnen, wie wir es derzeit beim Diesel erleben, und sollten sie sich panikartig von ihrem bisherigen Body trennen, weil der plötzlich nicht mehr gut ist? Schon die provokante Formulierung macht klar, Nerven behalten lohnt sich. Wer jedoch neu einsteigt oder den Kauf eines Bodys plant, der sollte ganz genau vergleichen, welcher Ansatz für ihn der bessere ist. Wir haben uns dazu den Spiegelreflex-Vollformateinsteiger Canon EOS 6D Mk. II angesehen und mit der neuen EOS R verglichen. Dazu haben wir uns unter anderem mit dem Wildlife- und Landschaftsfotografen Robert Sommer getroffen, der mit einer EOS 5D Mk. IV arbeitet.
Die technischen Daten im Überblick
Sein Urteil: “Die Unterschiede in der Bedienung sind marginal, die EOS R legt eine tolle Performance an den Tag und bietet einen klasse elektronischen Sucher. An den klaren Vorteil, vollwertig über den Monitor fotografieren zu können, statt mich für ungewöhnliche Perspektiven ständig zu verrenken, muss ich mich aber wohl erst noch gewöhnen.” Wir haben die Kamera mit dem nativen RF 4/24-105 mm L IS USM sowie dem EF 2,8/70-200 mm, dem EF 2,8/100 mm Makro und dem Sigma 4/500 mm für EF nebst Adapter getestet. Mit allen vier Varianten klappte es problemlos.
Der kleine Unterschied
Spiegel oder nicht? Im konkreten Fall macht das bei der Haptik erst einmal gar keinen Unterschied. In der Bedienung wird hingegen schnell klar, welche Variationen der Verzicht bedeutet. Gerade beim Einsatz des Makros war es sehr angenehm, beim Auslösen keinen Spiegelschlag mehr zu haben. Vorbei die Zeit, in der die Kamerahersteller viel Energie daransetzen müssen, dieses bewegliche Element aufwendig zu führen und zu dämpfen, um dessen Schlagkraft und Dominanz zu reduzieren. Mit dem Wegfall des Spiegels wird außerdem das Auflagemaß geringer, was bessere optische Konstruktionen beim Objektiv ermöglicht. Natürlich fällt auch der kleine Hilfsspiegel weg, der einen Teil des Lichts in eine bei der DSLR im Kameraboden verbaute Autofokus-Phasenmessstation lenkte.
Der Followfokus der EOS R ist zwar schon sehr gut und mit dem der EOS 6D Mk. II absolut auf Augenhöhe, dennoch ist für Canon die Technologie des auf dem bildgebenden Sensor implementierten Autofokus noch nicht so routiniert wie die separate Phasenmessung. Bis Canon ein Modell oberhalb der jetzigen EOS R vorstellt, gilt es, noch ein paar Erfahrungen zu sammeln und die Fokusverfolgung weiter zu optimieren. Doch ist das ein Argument gegen die spiegellose R? Für Profis, die mit einer EOS-1D unterwegs sind, sicher, sonst eher nicht. Selbst 5D-Fotografen, die einen weiteren Body anschaffen wollen, können beruhigt zur neuen R greifen, da die Vorteile gerade beim Vollformat überwiegen. So kann das gewünschte Autofokusfeld deutlich weiter am Rand positioniert werden, als das bei der DSLR möglich ist. Unter anderem das kürzere Auflagemaß erlaubt Objektivkonstruktionen, bei denen die Strahlen auch an den Rändern senkrecht genug auftreffen um effektiv zu fokussieren.
Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 12/2018.