Mittelformat auf Reisen

AUS DEM VOLLEN SCHÖPFEN

Musste man früher für ein digitales Mittelformatsystem noch im Lotto gewinnen und einen Sherpa engagieren, um damit auf Reisen zu gehen, verspricht Fujifilm rückenschonenden Mittelformat-Fotospaß für unterwegs.

Eine Mittelformatkamera ist ein großer und schwerer Apparat, auch als Digitalmodell – so war die Wahrnehmung früher und ist sie noch bei vielen Fotografen. Doch das stimmt schon lange nicht mehr. Denn 2008 brachte Leica die erste Kamera mit einem größeren Sensor als das Vollformat heraus, die dennoch DSLR-Abmessungen hatte: die S2. Fakt ist jedoch: Die Leica S2 fristet ein Nischendasein, weil sie für das Gebotene zu teuer ist. Knapp zehn Jahre später zeigte Fujifilm, wie Mittelformat heute geht: Die Geburtsstunde des GFX-Systems war da: spiegellose Systemkameras mit Abmessungen ähnlich wie beim Vollformat.

Der aktuelle Spross GFX100S bietet sich aber nicht nur für Porträtfotografen an, sondern kann auch für Natur und Reise eine interessante Alternative zur Vollformatkamera sein.
Schon beim Blick auf die Abmessungen und das Gewicht fällt auf, dass sie praktisch die gleichen Eckdaten wie die neue Nikon Z 8 (siehe Seite 32) hat. Indes: Die Objektive sind etwas größer und schwerer als vergleichbare Optiken fürs Vollformat. Alles in allem dennoch ein sehr mobiles Kamerasystem. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass im praktischen Einsatz auf Wanderungen kein Unterschied zu einer Vollformatkamera auszumachen ist: Die Kamera und ihre Objektive passen ohne Weiteres in kleinere Fotorucksäcke und belasten den Rücken nicht übermäßig.

Beim Handling überzeugend

Die GFX100S liegt gut in der Hand. Teils sogar besser als die kompaktesten Vollformatkameras, weil die schon zu klein für viele Hände sind. Klasse: Das Display auf der Oberseite kann individuell eingestellt werden und ist selbst bei strahlendem Sonnenschein und Sonnenbrille mit Polarisationsgläsern sehr gut ablesbar. Dank des etwas größeren Durchmessers der Objektive lassen sich sowohl Zoom- als auch Fokusring sehr gut erreichen. Apropos Fokus: Der Autofokus der GFX100S ist absolut praxistauglich für bewegte Motive. Selbst bei bedecktem Himmel und Wind hatte der kontinuierliche AF keine Probleme, die leicht schwankende Enzianblüte im Fokus zu halten (Bild rechts). Allerdings muss man beim Einsatz der GFX-Kameras in der Nahfotografie bedenken, dass das 120-mm-Makro nur bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1:2 fokussiert. Zusammen mit dem Formatfaktor von 0,79 entspricht dies dem Bildausschnitt einer Vollformatkamera, den man mit einem Abbildungsmaßstab von etwa 1:2,5 erreicht. Daher sei jedem Fan der Makrofotografie geraten, gleich den passenden Zwischenring mitzukaufen. Optisch ist das Makro sehr gut. Das gilt auch für die anderen Objektive von Fujifilm: optisch spielen sie in der Top-Liga. Einziges Manko: Fuji bietet nur Objektive bis 250 mm Brennweite an. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, wie groß und schwer ein Supertele für den Sensor der GFX100S ausfallen würde. Daher ist das System nicht eben eine ideale Lösung für Tierfotografen.

Der Sensor macht den Unterschied

Fujifilm setzt einen CMOS-Sensor mit sehr hohem Dynamikumfang ein; er liegt im Schnitt gut eine Blende höher als bei den Spitzenmodellen im Vollformat. Dieses Ass spielt die GFX100S in der Landschaftsfotografie denn auch aus. Egal ob hohe Kontraste am Vormittag oder enge Schluchten: HDR-Aufnahmetechniken mit zeitraubendem Zusammenrechnen der Bilder am Computer werden praktisch unnötig. Dabei brilliert der Sensor auch bei schwierigen Lichtverhältnissen und zeigt kaum Tendenz zu Farbverfälschungen in den Extremen der Belichtungsgrenzen. Aber: Bei der GFX100S muss man auf die enorme Auflösung vorbereitet sein, wie unser als Aufmacher gezeigtes Panorama beweist.

Fazit

Wer nicht gerade sein Herz an die Fotografie von scheuen Tieren oder Vögeln verloren hat, sollte einen Blick auf Fujifilms GFX-System werfen. Es bietet bei kaum wahrnehmbarem Mehrgewicht viele Vorteile. Die GFX100S überzeugt dabei mit ihrer enormen Auflösung und hervorragendem Dynamikumfang.

Text & Fotos: Dr. Björn K. Langlotz