SO KOMMEN IHRE BILDER RICHTIG ZUR GELTUNG

ORDNUNG ODER CHAOS AN DER WAND

Wann waren Sie zuletzt in der Helmut Newton Stiftung Berlin? Schon in der Lobby wird klar, dass hier nichts dem Zufall überlassen wird. Es ist nicht nur die Hängung der Bilder, sondern ein komplexes Raumkonzept, das den Betrachter in seinen Bann zieht.

Bei der Frage der Hängung scheiden sich die Geister, und selbst was auf den ersten Blick nach einer zufälligen Aufhäufung aussieht, folgt meist tatsächlich vorhandenen oder gedachten Linien – ähnlich wie beim Bildaufbau während des Fotografierens. Die Anordnung der Bilder wirkt sich dabei ebenso auf die Wahrnehmung der Inhalte und die Konzentration auf das Motiv oder einzelne Details aus wie die Aufnahme selbst.

Abgesehen von einem einzelnen Bild strahlt die größte Ruhe sicher die (auch von Museen gern genutzte) Reihenhängung aus. Hier sind die Motive an einer waagerechten oder senkrechten Linie angeordnet. Bei unterschiedlichen Formaten bringt die Kantenhängung – vergleichbar im weitesten Sinne mit einer Wäscheleine – Ordnung an die Wand. Die obere Rahmenkante ist dabei ausschlaggebend für die Ausrichtung der Bilder. Wer quadratische Motive mag, für den ist auch die sogenannte Rasterhängung eine Alternative. Dabei werden die Bilder – im Idealfall auch mit identischen Rahmen versehen – wie auf einem Schachbrett verteilt.

Nach diesem Prinzip können natürlich auch unterschiedliche Formate gehängt werden, das geht aber sehr auf Kosten der Ruhe. Als “geordnetes Chaos” bezeichnet man hingegen die Petersburger Hängung, auch Salonhängung genannt. Statt der Linien bringen hier bildverbindende stilistische Elemente Ordnung in den “Bilderhaufen”. Der Kreativität des Fotografen sind keine Grenzen gesetzt. Doch letztlich sollen die Motive im Vordergrund stehen und die Hängung soll nicht zum Selbstzweck werden. Wie etwa bei der Aufnahme der Bilder und der weiteren Verarbeitung mit elektronischen Filtern gilt hier zumeist die Regel: Weniger ist mehr.

Welche Rolle die Hängung für Museen, Galerien und Co. bedeutet, dazu äußern sich im Artikel die Kuratorin des Kunst Hauses Wien, Verena Kaspar-Eisert, sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fotografischen Sammlung des Museums Folkwang in Essen, Petra Steinhardt. Hier finden Sie ergänzend dazu die Stellungnahme des Kurators der Helmut Newton Stiftung, Berlin, Dr. Matthias Harder.

Den gesamten Artikel mit weiteren Bildern finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 07-08/2018.

FOTOGRAFIEN IM MUSEUM

Foto: Stefan Müller

Dr. Matthias Harder, Kurator der Helmut Newton Stiftung, Berlin
Die Wirkung fotografischer Bilder in einer Ausstellung hängt von verschiedenen Faktoren ab, neben den formalen und inhaltlichen Aspekten der Aufnahme selbst auch von deren Rahmung, von der Kombination mit anderen Fotografien, etwa den Abständen zu den Nachbarbildern, der Positionierung an der Wand, kurzum: von der Hängung. Die meisten Besucher machen sich darüber bei einem Museums- oder Galeriebesuch kaum Gedanken, doch mit diesem entscheidenden Gestaltungsmoment kann ein Kurator den rezipierenden Blick auf ein Werk lenken, er kann pointieren und verwirren, bewusst Harmonien oder Störungen einbauen, wo inhaltlich vielleicht gar keine sind. Andererseits können Bildinhalte durch bestimmte Hängeideen erst herausgearbeitet werden.

Gemälde, Zeichnungen und Fotografien werden in den meisten Institutionen auf eine imaginäre Mittelachse von etwa 1,50 m Höhe vom Bodenniveau gehängt – als Einzelwerk oder als Teil einer Sequenz. Interessant sind bewusste Abweichungen von dieser Norm, etwa besonders luftige, dichte, unregelmäßige, tableauartige oder “wolkige” Hängungen, deren Einzelwerke ganz anders, ja vielschichtig aufeinander und miteinander reagieren können. Im ersten Fall wird dem exponierten Einzelwerk eine Art Bühne gegeben, was insbesondere bei kunsthistorisch bedeutenden, ikonischen Werken durchaus Sinn macht. Im Fall der dichten, vielteiligen Präsentation wird das einzelne Bild hingegen zugunsten der Gruppe nivelliert, doch gerade eine unregelmäßige, auf mehreren Höhenebenen zusammengesetzte Hängung kann die Aufmerksamkeit des Betrachters (als Überwältigungsstrategie) fesseln – oder ihn bei falscher Kombination überfordern respektive ermüden.

Etwas Besonderes sind große und hohe Räume, etwa die Lobby der Helmut Newton Stiftung. Dort hängen seit Stiftungsgründung im Jahr 2004 fünf Big Nudes von Newton in fünf Nischen, sie ersetzen die Bildnisse der Offiziere der Preußischen Landwehr, die dort hingen, als das Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts noch ein Militärkasino war. Die fünf überlebensgroßen Aktfotografien thronen nun geradezu über der Freitreppe und alle Besucher schauen beim Betreten des repräsentativen Gebäudes zu ihnen auf.

All dies kann strategisch oder spielerisch eingesetzt werden – und sollte innerhalb einer Institution von Sonderausstellung zu Sonderausstellung variiert werden, ggf. sogar innerhalb einer Ausstellung. Die meisten Museumsbesucher möchten überrascht, unterhalten und herausgefordert werden. Ihnen sind wir als Museumskuratoren ebenso verpflichtet wie den eingeladenen Künstlern, und so habe ich in meiner mehr als 20-jährigen kuratorischen Praxis unterschiedlichste Präsentationsformen und Hängungen gewählt, um das ausgestellte Werk möglichst überzeugend zu inszenieren. Denn jedes Bild verlangt geradezu nach einer adäquaten Präsentation nicht nur an der Wand, sondern auch im Raum, denn darum geht es letztlich auch: Um “2D in 3D”, um einen Terminus meines geschätzten Kollegen Urs Stahel zu verwenden, bezogen auf zweidimensionale Bilder im dreidimensionalen Ausstellungsraum.

Autor: Tobias F. Habura