VERZICHT ODER KOMFORT?
Tablets verdrängen Laptops und PCs in immer mehr Bereichen – doch wie sieht es mit der Bildverwaltung und -bearbeitung aus? Einige Fotografen haben schon den großen Schritt weg von der Desktop-Umgebung hin zum iOS- oder Android-Flachmann vollzogen, andere zögern noch. Wir machen eine kleine Bestandsaufnahme und schauen, ob sich Tablets für den Image-Workflow eignen und mit welchen Apps das möglich ist.
Tablets sind schon sehr praktische Helferlein. Sie nehmen in der meist eh schon prall gefüllten Fototasche weniger Platz als viele Laptops/Notebooks ein, bedienen sich genauso intuitiv wie das Smartphone, werden manchmal sogar mit Eingabestift verkauft (oder erlauben zumindest die Arbeit mit einem optional erhältlichen Stift) und dank Desktop-Modi wie Apples Stage Manager oder Samsungs DeX-Modus können sie mit externer Tastatur, Maus und Monitor wie ein stationärer Computer betrieben werden. Nicht zuletzt seitdem Apple in seinen iPads teilweise auch noch dieselben Prozessoren (M1, M2 und Pro/Max/Ultra-Ableger) verbaut wie in seinen Macs, stehen die Tablets auch in Sachen Rechenleistung den Desktop-Rechnern in kaum etwas nach. Wie man seine Bilder von der Kamera aufs Tablet bekommt, wollen wir in diesem Artikel nicht erläutern. Da gibt es zig verschiedene Wege, etwa mit angeschlossenem Kartenlesegerät, via Docking-Station oder drahtlos mit der jeweiligen Bildübertragungs-App vom Kamerahersteller. Stattdessen wollen wir uns der eigentlichen Bildverwaltung und -bearbeitung widmen. Ähnlich wie vom Desktop-Computer (PC/Mac) aus gewohnt, gibt es unterschiedliche Programme oder Apps für die unterschiedlichsten Anwendungen (Bildverwaltung, RAW-Entwicklung, Bildbearbeitung), aber auch „Alleskönner“, die all diese Aufgaben in einer Anwendung beherrschen.
Erstmal in den App-Store
Zentrale Anlaufstelle für die Suche nach den geeigneten Apps ist Apples App-Store bei iPads und Googles Play-Store bei Android-Tablets. Einige Hersteller (z.B. Samsung, Huawei, Amazon) bieten auch eigene Stores an und es gibt noch in gewisser Weise „unabhängige“ Appstores (wie F-Droid oder APKMirror), doch aufpassen: Je unbekannter der App-Anbieter ist, umso größer ist die Gefahr, auch auf Schadsoftware zu stoßen. Natürlich wird man sich vorher schon für ein System entschieden haben. Sofern man nicht einen in ein Tablet verwandelbaren Windows-Computer (auch „Convertible“ oder „2-in-1-Laptop/ Notebook“ genannt) kaufen möchte (für den ganz eigene Gesetzmäßigkeiten gelten), läuft die Wahl in der Regel auf Apples iOS oder Googles Android hinaus. Glaubenskriege, welches das bessere System sei, wollen wir hier nicht befeuern; jeder hat da so seine ganz eigenen Präferenzen und Überzeugungen … Das Ganze ist auch ein bisschen „Ländersache“: In den USA gilt man als Android-Nutzer eher als Exot – in Europa und dem Rest der Welt ist das Bild etwas differenzierter. Letztlich wird man sich meist für die Umgebung entscheiden, mit der man am meisten Vorerfahrung hat. Wer vom Mac, MacBook oder iPhone kommt, wird wohl bei Apple bleiben; wer schon ein Android-Smartphone besitzt, fühlt sich meist bei einem Android-Tablet besser aufgehoben. In letzterem Fall muss man sich nur noch für eine bestimmte Marke entscheiden. Absoluter Marktführer bei den Android-Tablets ist Samsung, aber man wird auch bei Herstellern wie Huawei, Lenovo, Google, Amazon und vielen anderen fündig. Beachten sollten Sie, dass die Wahl zwischen Android und Apple sich zum Teil auch auf das Anwendungs-Angebot niederschlägt. Apple umgarnt nicht erst seit gestern die so genannten „Kreativen“ (also unter anderem auch Fotografen) und das hat im Laufe der Jahr(zehnt)e zu gegenseitigen Liebschaften geführt. Apple hat es wie kein anderer verstanden, die Kreativen an sich zu binden – und die revanchieren sich auf Konsumentenseite mit einer fast schon sektenhaften Systemtreue sowie auf Softwareentwickler-Seite mit einem leichten Favoritismus. Auch spielt Apples cleverer Schachzug, in vielen iPads dieselben Prozessoren der M-Serie zu verbauen wie in MacBooks, iMacs & Co. eine nicht ganz unwichtige Rolle bei der Softwareentwicklung. So gestaltet sich die Entwicklungsarbeit von einer Plattform (Desktop-Rechner, Laptop/Notebook, Tablet) zur anderen deutlich weniger aufwändig als bei hardwaretechnisch weniger eng miteinander verwandten Geräten. So verwundert es einen auch nicht, dass man gerade im Bereich der Imaging-Software besonders viele „alte Bekannte“ aus der Desktop-Umgebung fürs iPad wiederfindet. Ob das Adobe-Klassiker wie Photoshop oder Lightroom sind, die aufstrebenden Neuen (Affinity Photo, Pixelmator, Darkroom) oder die „Spezialisten“ (Capture One, ON1 Photo RAW): Mit manchen von ihnen hat man eventuell schon auf dem heimischen Desktop-Computer oder auf dem Notebook gearbeitet, was die Umstellung auf die Arbeit mit dem Tablet einfacher macht. Und auch beim Videoschnitt, beim Publishing oder beim Malen/Zeichnen wird man in Sachen iPad-Apps an vielen Stellen fündig.
iOS-Nutzer sind im Vorteil
Hier hinkt Android noch ein bisschen hinterher. Zwar gibt es Lightroom auch in einer Android-Version (und das sogar mit Stift-Unterstützung) und daneben auch eine ganze Menge Apps aus der Smartphone-Welt (mit Fingerbedienung), aber einige unter Fotografen beliebte Programme wie zum Beispiel Photoshop, Affinity Photo, Capture One oder Pixelmator existieren zur Zeit nur exklusiv für iPads. Besser sieht das aus, wenn man das Android-Tablet zum Zeichnen, Malen und Illustrieren verwenden möchte: die beliebten Apps Krita, Canva und Clip Studio Paint gibt es alle für Android; die beiden letzteren sind auf vielen Tablets der Galaxy-Tab-Serie von Samsung sogar schon vorinstalliert. Richtig mager wird es hingegen, wenn man Fotos bearbeiten/verwalten will und sich mit Abomodellen partout nicht anfreunden kann. Lightroom fällt da dann auch weg, ON1 Photo RAW funktioniert mit einer Einschränkung (die Cloud-Synchronisierung gibt es nur in der Aboversion), die vorinstallierten Hersteller-Apps erlauben in der Regel keine lokalen Korrekturen und keine Arbeit mit Masken/Ebenen. Und Bildbearbeitungsprogramme, die im Browser laufen (wie Pixlr oder PhotoPea) setzen eine Online-Verbindung voraus (manchmal kann man sie aber dazu bewegen, auch offline zu funktionieren) und/oder es fehlt ihnen an Features wie die Stift-Unterstützung (bei Android-Tablets der Mittel- und Oberklasse ist der Stylus oft schon im Preis mit inbegriffen oder im Lieferumfang enthalten), Präzisions-Zeiger und anderen Finessen.
Wer mit einer auf Smartphones ausgerichteten Bedienung klarkommt, ist immerhin mit Googles Snapseed-App schon recht gut bedient; eine klassische, Tablet-gerechtere Bedienoberfläche gibt‘s sonst noch bei Photomate R3 und bei der App PhotoPad von NCH-Software. Schade übrigens, dass trotz enger Verwandtschaft von Linux und Android kaum Linux-Programme nach Android portiert wurden. Nach einer Android-Version von Darktable oder RawTherapee sucht man vergebens und die beiden GIMP-Ports die es für Android gibt (GIMP und XGimp), machen einen ziemlich unfertigen Eindruck und werden auch in den Nutzerbewertungen nicht sehr hoch bewertet.
Fazit
Für Fotografen ist eine produktive Arbeit durchaus auch mit dem Tablet möglich. Noch findet man nicht jede Desktop/Notebook-Anwendung auf dem Tablet wieder (es fehlen u.a. Luminar, DxO sowie andere derzeit nur auf PCs und Macs verfügbare Titel) und viele der in diesem Artikel erwähnten Apps gibt es nur im Abo, aber je nachdem, ob man ein iPad oder ein Android-Tablet sein Eigen nennt, ist die Auswahl an passenden mobilen Anwendungen mehr oder weniger groß. Bleibt zu hoffen, dass das erst der Anfang ist und das Angebot noch weiter wächst; wie man es von anderen Unterhaltungselektronik-Bereichen (insbesondere Videospielkonsolen) her kennt, steht und fällt die Popularität eines Systems mit dem Reichtum an angebotenen Software-Titeln. Und wenn Tablets auch im Fotobereich der große Durchbruch gelingen soll, darf das App-Füllhorn von Entwicklerseite gerne noch ein bisschen (vor allem bei Android) weiter befüllt werden.