Trend analoge Fotografie

Retrokameras und Schwarzweißfilme

Filme sind nach wie vor erhältlich. Wer keine Kamera hat, kann das Equipment vergangener Tage heute günstig erstehen. Die Auswahl an Schwarz-Weiß-Material lässt bei moderaten Preisen nichts vermissen. Nur Farb- und Dia-Filme sind knapp und teuer geworden. Ein Überblick.

In Großstädten bieten Calumet-Filialen eine Auswahl gut gekühlter Filme. Das Angebot der Drogeriemärkte hingegen ist stark geschrumpft und regional unterschiedlich. Foto Impex und Macodirect haben das umfangreichste Online-Sortiment. Gängige Schwarz-Weiß-Filme kosten 5 bis 10 Euro, nur Kodak verlangt deutlich mehr. Sowohl Fomapan als auch Kentmere sind empfehlenswerte Marken. Sie zählen, wie auch Agfa und Ilford, zu den Klassikern. Kodak T-Max und Fuji Acros sind moderne Flachkristallfilme mit feinerer Kornstruktur. Gestandenen Schwarz-Weiß-Fans erscheint der Look zu glatt, zudem sind die Belichtungsspielräume wesentlich enger. Farb- und Diamaterial hat oft lange Lieferzeiten und kostet bis zu 25 Euro. Selbst der bekannte Kodak Gold 200 liegt mittlerweile bei 10 Euro – pro Stück. Nennenswerte Preisunterschiede gibt es kaum, der Markt ist klein und überschaubar.
Foto Impex in Berlin widmet sich seit über 25 Jahren der analogen Fotografie und stellt Adox-Filme in Eigenregie her. Marcodirect hat Kentmere als Hausmarke im Programm. Zwei von Inovis produzierte ORWO-Filme (NP 100 und NC 500) nutzen den bekannten Markennamen und möchten im Premiumsegment wahrgenommen werden. Der eigene Filmvorrat ist zu Hause im Kühlschrank am besten aufgehoben und sichert den Nachschub.

Trend: Effekt-Filme

Das neue Interesse an der analogen Fotografie brachte sogenannte Effekt-Filme von Kono, Lomo, Revolog, Silbersalz, Supersense und anderen auf den Markt. Limitierte Auflagen und exotisches Filmmaterial wollen die Exklusivität der Angebote betonen. Manuell mit Effekten und Fehlern versehenes Material ist ebenso erhältlich wie Filme mit ausgeprägten Farbverfremdungen, die zusätzlich über die Belichtung beeinflussbar sind.
Auf Kinomaterial aus der Kodak-Vision- und DoubleX-Familie in selbstkonfektionierten Kleinbildpatronen hat sich Fabio Heublein in Berlin spezialisiert. Zum guten Ton gehört bei diesen Filmen, Kinoproduktionen zu nennen, die damit gedreht wurden. Welchen Nutzen das für die Fotografie hat, bleibt offen. Gestaltungsmöglichkeiten und Wirkungen von Bewegt- und Standbild unterscheiden sich gravierend. Was bleibt, ist der Farb-Look, der Unikate mit überraschenden Effekten entstehen lässt. Ohne DX-Kodierung muss der ISO-Wert manuell eingestellt werden. Die meisten Farbfilme sind kompatibel zur Entwicklung im C41-Prozess. Informationen und Hinweise zur Belichtung liefern die Filmbeschreibungen, zusammen mit einigen Testbildern.
Silbersalz bietet ebenfalls eine Auswahl von Kodak-Vision3 Kinofilmen in DX-kodierten Kleinbildpatronen. Die erforderliche ECN-2 Entwicklung wird, wie auch hochauflösendes Scannen, als zusätzliche Dienstleistung angeboten.

Entwickeln und Scannen

Kleinbildfilme nehmen Drogeriemärkte entgegen, allerdings dauert es heute eine Weile, bis genug Filme im Labor zusammengekommen sind. Inzwischen sorgt auch ein 120er-Rollfilm nicht mehr für erstaunte Gesichter oder Ratlosigkeit. Ob Scanner und analoger Film harmonieren, ist unter Bekennern umstritten. Doch wer seine Bilder online zeigen will, kommt nicht darum herum. Als Dienstleistung ist Scannen zusammen mit der Entwicklung ab 10 Euro erhältlich. Foto Impex entwickelt ebenfalls und offeriert auch handgefertigte Abzüge aus der Dunkelkammer auf Barytpapier ab 39 Euro pro Stück.

Kameras kaufen

Wer noch keine Kamera hat, steht einer großen Auswahl gegenüber. Das umfangreichste Angebot bietet eBay, ebenso lohnen regionale Fotobörsen einen Besuch. Doch der Kauf von privaten Anbietern birgt Risiken, die man kennen sollte.
An analogen Kameras muss fast immer altes Schaumgummi (Spiegeldämpfer und Lichtdichtungen) erneuert werden, das im Lauf der Jahre morsch oder klebrig geworden ist. Mit etwas Fingerspitzengefühl kein Hexenwerk, aber eine notwendige und schmierige Fummelei. Schlägt der Spiegel beim Auslösen ungedämpft an, leidet auf Dauer die Verschlussmechanik. Schließt die Kamerarückwand nicht lichtdicht, verursacht einfallendes Streulicht helle Flecken auf dem Film. Funktionen wie Filmtransport und Verschlusszeiten lassen sich auch auf einer Fotobörse nur bedingt prüfen. Bei Online-Käufen ist man auf die Angaben des Verkäufers angewiesen. Batterien können zum Engpass werden, wenn für alte quecksilberhaltige Stromspeicher kein Ersatz erhältlich ist.
Beim Ausfall von elektrischen oder elektronischen Bauteilen gibt es in der Regel keine Rettung. Für die Reparatur mechanischer Defekte existieren eine Reihe spezialisierter Kleinbetriebe, nur ist das für eine 50-Euro-Kamera selten eine sinnvolle Option. Bei einem Mittelformat-Modell kann es anders aussehen, auch wenn für eine Wartung 200 Euro anzusetzen sind – meine Kiev 60 funktioniert seither einwandfrei.

Delftshaven: Im Online- Shop präsentiert der niederländische Händler seine Kameras mit präzisen Beschreibungen.

Gewerbliche Anbieter

Das Secondhand-Angebot analoger Kameras im Fotofachhandel ist meistens überschaubar und fokussiert häufig auf Marken wie Leica und Hasselblad. Calumet zeigt die Angebote auch online. In Berlin ist click & surr seit 2017 mit einem besonderen Geschäftsmodell erfolgreich. Den Unterschied macht die eigene Werkstatt: Alle Kameras werden vor dem Verkauf überprüft, aufbereitet und im Gewährleistungsfall auch repariert. Gefragte Spiegelreflexkameras von Canon, Nikon und Olympus kosten zwischen 150 und 400 Euro mit Objektiv, Sucherkameras sind etwas günstiger. Der Hasselblad-Würfel 500C liegt bei 1.300 Euro und die Mamiya-Modelle RB67 oder 645 kosten ungefähr die Hälfte – jeweils mit Objektiv. Wer mit einer Mittelformatkamera liebäugelt, braucht für den Start eine gewisse Frustrationstoleranz. Das Filmeinlegen erfordert Übung, die zunächst erworben werden will. Bis das Hantieren mit dem Lichtschachtsucher beim Einblick von oben cool aussieht, vergeht eine Weile: Das Motiv wird seitenverkehrt abgebildet und scheint ständig von der Mattscheibe zu verschwinden. Mit Prismensucher sind die ersten Schritte deutlich einfacher. Doch auch wenn alle Handgriffe sitzen und die Kamera technisch in Ordnung ist, zeigen das große Format und die damit einhergehende geringe Schärfentiefe erbarmungslos jede Fehlfokussierung.

Seit 2009 ist der Fotohandel Delftshaven aktiv. Mit einem Ladenlokal in Delft, einem Online-Shop und Amsterdam Camera Repairs als Partner. Die eingehende Prüfung aller Angebote ist selbstverständlich und mündet in präzisen Zustandsbeschreibungen. Miet-Kameras gibt es ebenfalls, allerdings nur vor Ort im Laden. Eine Hasselblad C500 ist für 100 Euro pro Woche zu haben.
Zahlreiche Händler haben sich auf den Verkauf analoger Kameras spezialisiert. In Großstädten oft mit Ladenlokal, wie Khrom in Hamburg, Vintage Kameras in Köln oder Heidifoto und Foto Presto in München. Mit dem Online-Angebot Nikon-Classics fokussiert Norbert Michalke ausschließlich auf eine Marke. Seine Website informiert transparent über Aufbereitung und Zustand der Produkte.

Gewerbliche Anbieter finden sich auch bei Ebay. Gute Bewertungen können ein Kauf-Indikator sein, zur Prüfung und Aufbereitung der Kameras gibt es nur selten Informationen. Wer weiß, worauf zu achten ist, kann die Kamera zu Hause eingehend prüfen und im Zweifelsfall vom Rückgaberecht Gebrauch machen. Einige Händler können bei Bedarf eine Werkstatt empfehlen. Doch im Gewährleistungsfall wird in den ersten sechs Monaten in der Regel nur der Kaufpreis erstattet.

Fotobörsen: Ein Besuch vermittelt Hands-On-Feeling und Gespräche mit erfahrenen Händlern.

Apps für Exif-Daten

Ein paar Filme werden anfangs verbraucht, um Erfahrungen mit der anderen Art des Fotografierens zu sammeln. Nicht jedes Bild wird perfekt gelingen, aber das zeigt sich erst nach der Entwicklung. Zur Fehleranalyse haben sich Apps wie Exif Notes oder Yafra bewährt, die Aufnahmedaten (Zeit, Blende, Belichtungskorrektur) auf dem Smartphone manuell entgegennehmen. Die Daten sind hilfreich, um mögliche Fehler einzugrenzen – eigene und die der Kamera. Sie unterstützen auch bei einem Gewährleistungsanspruch oder Reparaturauftrag.

Selber scannen

Auf Dauer kann sich ein eigener Scanner rentieren. Kleinbildfilme erfordern einen höher auflösenden Filmscanner, der Plustek OpticFilm 8100 ist ab 250 Euro erhältlich. Fürs Mittelformat reicht ein Flachbettscanner mit Durchlichtaufsatz, der Epson V600 kostet rund 350 Euro. Das Scannen frisch entwickelter Filme ist im Vergleich zur Digitalisierung von Altmaterial im Hinblick auf Staub und Kratzer unkompliziert. Für einen noch vorhandenen Scanner lohnt ein Blick auf VueScan. Mit dieser Software finden Modelle wieder Anschluss, für die keine aktuellen Treiber existieren.

Schwarz-Weiß-Filme entwickeln

Das Entwickeln kann meditative Züge annehmen. Den Film bei absoluter Dunkelheit in die Entwicklerspule einfädeln erfordert Übung und ein „Filmopfer“, bis der Vorgang mit geschlossenen Augen klappt. Einmal in der Entwicklerdose findet alles weitere bei Licht und Zimmertemperatur statt. Je nach Rezept kann man den entwickelten Film spätestens nach 30 Minuten anschauen und zum Trocknen aufhängen. Für die ersten Filme ist die Entwicklung durch ein Labor vorzuziehen. Das liefert konstante Ergebnisse und schließt eine mögliche Fehlerquelle aus.

ADRESSEN

Nicht alle Internet-Auftritte haben einprägsame Namen. Mitunter ist auch die Schreibweise eigenwillig.

35mmdealer.de
clickundsurr.de
film.eu
macrodirect.de

Text & Fotos: Bernd Kieckhöfel