Test: Hasselblad 907X & CFV 100C

WUNSCHBOX MIT POTENZIAL

Hasselblads neues 100-Megapixel-Rückteil CFV 100C passt nicht nur an die moderne 907X, sondern kann auch mit analogen Hasselblad- Modellen kombiniert werden. Wir haben die moderne Kombi in der Praxis getestet.

Mittelformat – groß und schwer! Das Vorurteil stach schon zu analogen Zeiten nicht immer (man denke etwa an die geniale Mamiya 6). Im digitalen Zeitalter hat zuletzt Fujifilm immer wieder gezeigt, wie kompakt und tragefreundlich man einen Sensor jenseits des Vollformats verpacken kann. Und auch Hasselblad (seit 2017 im Besitz des chinesischen Drohnenherstellers DJI) bietet digitale Mittelformatmodelle an, die angesichts der Sensorgröße erstaunlich klein und leicht ausfallen. Jüngster Coup: die Kombination aus nagelneuem digitalen Rückteil CFV 100C und dem bekannten Hasselblad-Gehäuse 907X – laut Hersteller die derzeit kompakteste Mittelformatkamera der Welt mit einem Gewicht von gerade mal 620 Gramm (das ist weniger als eine aktuelle Sony Alpha 7!).

Wir hatten das neue Rückteil in der Kombination mit der Hasselblad 907X zum Test in der Redaktion.
Verbindet alt und neu : Das 100-Megapixel-Rückteil CFV 100C, hier an einer analogen Hasselblad 503CW aus den neunziger Jahren.

Die Leichtigkeit des Gestaltens

Auch mit angesetztem Objektiv – in unserem Test kam meist das XCD 2,5/90 mm V (entspricht 70 mm im Vollformat) zum Einsatz – ist das Set eine im wahrsten Sinn des Wortes handliche Sache: Ganz wie in analogen Tagen ruht der Body in der linken Hand, der linke Zeigefinger bedient den Auslöser. Im Gegensatz zum Rollfilm-Zeitalter nimmt einem die moderne Hasselblad aber eine Menge Arbeit ab – etwa das Scharfstellen. Das erledigt der neue Autofokus mit Phasenerkennung (PDAF), dessen 294 Messzonen einen Großteil Sensoroberfläche des Rückteils abdecken. Im Vergleich zum Vorgänger CFV 50C hat sich der AF beim 100-Megapixel-Back spürbar beschleunigt. Zudem unterstützt die gut funktionierende Gesichtserkennung bei Porträts. Sie funktioniert aber nur bei Menschen und erkennt keine Augen. Wer also exakt auf die Pupille des Models scharfstellen will, muss den AF-Punkt händisch an genau diese Stelle schieben. Das geht ganz gut per Touchscreen, aber deutlich angenehmer mit dem kleinen silbernen Joystick des optional erhältlichen Funktionshandgriffs 907X. Der macht das Set aus 907X und CFV 100C zwar etwas größer und schwerer, erleichtert aber mit seinen Steuertasten und dem zusätzlichen Auslöser das Handling spürbar und bietet zudem einen deutlich sichereren Halt für die knapp 7.800 Euro teure Kombination (plus Objektiv)

Die Gesichtserkennung des Phasen-AF arbeitet flott und gründlich. Eine Augenerkennung wäre noch wünschenswert. Aufnahme mit dem hervorragenden XCD 2,5/90 mm V (ca. 4.200 Euro).
Auch wenn die extreme Kompaktheit des Duos 907X / CFV 100C verlockend ist: Der 907X-Steuergriff (ca. 750 Euro) verbessert das Handling und ist absolut empfehlenswert. Im Bild auch der optische Aufstecksucher für knapp 500 Euro

Bildqualität: standesgemäß!

Für so viel Geld darf der Fotograf erstklassige Bilder erwarten und wird nicht enttäuscht: In Kombination mit Hasselblads aktuellen XCD-Objektiven
spielt das 100-Megapixel-Duo die Stärken des Mittelformats voll aus: Wir haben mit der 907X / CFV 100C RAWs in einer packenden Fülle an Details, mit jeder Menge Potenzial für spätere Crops und selbst bei hohen ISO-Werten kaum störendem Rauschen auf die Speicherkarte gebannt. Herzstück des neuen CFV 100C ist ein rückseitig belichteter CMOS-Sensor. Er liefert nicht nur Standbilder mit satten 11.656 x 8.742 Pixeln, sondern auch einen fantastischen Dynamikumfang von 15 Blendenstufen und bis zu 16 Bit Farbtiefe für über 281 Billionen Farben. Übrigens: Auch wenn man Kameras wie die Hasselblad als digitales „Mittelformat“ bezeichnet: Die Sensorfläche ist mit 4,3 x 3,2 cm kleiner als das analoge 6 x 6 cm-Format, das den schwedischen Kamerahersteller einst so berühmt gemacht und auf den Mond gebracht hat. Auch Konkurrent Fujifilm hat in seinen GFX-Kameras einen ähnlich großen Sensor. Beide Familien eint die Tatsache, dass sie (vor allen bei den Objektiven) zwar teuer als typische Vollformatsysteme sind, aber eben auch mehr Bildinformation liefern.

Trotz vieler Pixel auf dem 43,8 × 32,9 mm großen Sensor rauscht die 907X mit dem CFV 100C auch bei ISO 25.600 nicht störend. Das ist wichtig, denn wegen des fehlenden Bildstabilisators wird der Nutzer häufiger mit hohen Empfindlichkeiten arbeiten.

Aufnahmen aus Hüfthöhe – wie früher

Stichwort „analoge Hasselblad“: In Anlehnung an den typischen Aufnahmestil früherer Mittelformatkameras – in Hüfthöhe und mit Blick durch einen Lichtschachtsucher – arbeitet auch der Touchscreen der 907X / CFV 100C. Er kann um bis zu 90 Grad nach oben geklappt werden und bietet dann ein ganz ähnliches Handling wie der legendäre Schweden-Würfel.

Freisteller sind mit der Offenblende des XCD 2,5/90 mm V kein Problem.
Das Set aus 100-Megapixel Rückteil und 907X wiegt gerade mal  620 Gramm .

Bedienkonzept: frugal, aber gut

Überhaupt ist das Bedienkonzept gelungen, auch wenn die Kamera selbst keinerlei Einstellräder bietet: Alles wird über den großen Touchscreen und die fünf darunter liegenden kleinen Tasten gesteuert. Der Menü-Aufbau ist logisch und ein
großer Infoscreen bietet direkten Zugriff auf die wichtigsten Parameter. Wer den Funktionshandgriff 907X besitzt, erhält auch zwei Einstellräder und einen kleinen Joystick, um beispielsweise den AF-Messpunkt zu verschieben oder in den
Menüs zu navigieren. Komfortabel auch das Speicherkonzept: 907X und CFV 100C bieten eine integrierte 1-TB-SSD mit einer Schreibgeschwindigkeit von bis zu 2.370 MB/s und einer Lesegeschwindigkeit von bis zu 2.850 MB/s. Zusätzlich steht ein Slot für CFexpress-Karten vom Typ B zur Verfügung, der laut Hasselblad maximal 512 GB unterstützt. Wir haben eine CFexpress-Karte OWC Atlas Ultra mit 1 TB problemlos einsetzen können.

 

Aufnahme aus Bodenhöhe mit hochgeklapptem Monitor. Tiere erkennt die 907X nicht, daher haben wir den AF-Messpunkt per Joystick am Handgriff auf das Auge von Schäferhündin Eli bugsiert.