Jean-Michel Landon in den Reiss-Engelhorn-Museen

Leben im Block

Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim verlängern die Foto-Ausstellung „La vie des blocs“. Besuchereinträge im Gästebuch ließen die Begeisterung erkennen. So sind die eindringlichen Bilder des Fotografen und Sozialarbeiters Jean-Michel Landon in ZEPHR – Raum für Fotografie in C4,12 noch bis 30. Juni 2024 sind zu sehen.

Über zehn Jahre hat er das Leben in den Arbeitervierteln südöstlich von Paris dokumentiert. Seine Reportage ist sowohl eine Hommage an die Bewohnerinnen und Bewohner der Banlieues als auch fotografische Erinnerungsarbeit an eine Welt, deren wahres Wesen oft verkannt wird und deren Spuren im Zuge von Stadterneuerungsprojekten allmählich verschwinden. Die Schau vereint rund 130 Schwarz-Weiß-Aufnahmen und präsentiert die Arbeiten des Autodidakten erstmals außerhalb Frankreichs.

Die Bilder gehen unter die Haut und regen zum Nachdenken an, wie ein Blick ins Gästebuch belegt. „Mich bewegt vor allem die Authentizität der Fotografien und die Empathie, die aus ihnen spricht“, so Kuratorin und ZEPHYR-Leiterin Stephanie Herrmann. „Um solche Fotos machen zu können, braucht es neben ‚Insider‘-Wissen vor allem Vertrauen. Als ‚einer von ihnen‘ genießt Jean-Michel Landon dieses Vertrauen. Er nimmt uns mit in seine Welt – die Welt der Pariser Banlieues, die die meisten von uns nur aus den Nachrichten kennen und ausschließlich mit Ausschreitungen und brennenden Autos verbinden. Aber sie ist weitaus facettenreicher und hat viele Gesichter, die gesehen werden müssen.“

Jean-Michel Landon wurde 1978 in Créteil geboren und bewegt sich zunächst als Jugendlicher, später als Sozialarbeiter und Fotograf im Slalom zwischen den verschiedenen Stadtvierteln. Seine Heimatstadt steht stellvertretend für viele Vororte rund um die Metropole Paris. Landons Reportage gibt einen authentischen Einblick und erzählt vom Alltag der Menschen im Schatten der Wohntürme: ungeschönt und ungefiltert, aber immer erfüllt von dem Respekt und Einfühlungsvermögen des Eingeweihten. Er bricht mit den oft negativen Klischees über das Leben in den Banlieues, indem er dessen Pluralismus zeigt. In seinen Aufnahmen verschmelzen harte Alltagsrealitäten – geprägt von ethnischer und sozialer Ghettoisierung, Wohnungsnot, Drogenkonsum und Perspektivlosigkeit – mit Momenten voller Unbeschwertheit, Lebensfreude und Solidarität.

Seine Aufmerksamkeit richtet Landon besonders auf die Kinder und eine vergessene Generation an jungen Erwachsenen, die er mit sensiblem Blick porträtiert und für die er nicht selten zum „großen Bruder“ wird. Das gegenseitige Vertrauen, das aus diesen Begegnungen erwächst, spiegelt sich in zahlreichen aufrichtigen, unverstellten Momentaufnahmen, frei von Inszenierung und Voyeurismus. Es sind nicht die lauten Gesten und sensationellen Augenblicke, die Landon mit seiner Kamera festhält. Sein Interesse gilt vielmehr den leisen Randerscheinungen, dem unspektakulär Alltäglichen des Lebens. Damit stehen seine beeindruckenden Aufnahmen in der Tradition bedeutender Vertreter der humanistischen Fotografie wie Henri Cartier-Bresson, Willy Ronis oder Robert Doisneau.

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