Auf der Walz
Einer hierzulande mittelalterlichen Tradition folgend, gehen junge, freiheitsliebende Handwerker jahrelang auf Wanderschaft. Ausgerechnet ein chilenischer Fotograf ist mit einigen dieser zünftigen Gesellen ein paar Sommerwochen lang quer durch Deutschland gezogen.
Felix‘ Ohrläppchen liegt auf einem massiven Holzblock. Genauer gesagt: Es ist dort fixiert mit einem großen Zimmermannsnagel, den David, sein Wanderkamerad und Altmeister, eingeschlagen hat. Das so entstandene Loch dient dem Ohrring, der zum traditionellen Outfit der Wandergesellen gehört wie der schwarze Breitcordanzug, die Schlaghose, der ausladende Hut oder der Stenz (ein wendelförmiger Wanderstock). Felix lacht. Der junge Schreinergeselle mit dem Wuschelkopf wusste, was auf ihn zukommt – wusste, dass er mit höchstens fünf Euro in der Tasche losziehen, wiederkehren und sich mindestens drei Jahre und einen Tag lang seinem Heimatort auf maximal 60 Kilometer nähern darf; dass er in der Öffentlichkeit stets seine Kluft zu tragen und „rechtschaffen“ zu sein hat. Ein Wandergeselle, der sich nicht an diese Regeln hielt, dem riss der Meister früher den aus Gold gefertigten Ring (eine Art Notgroschen) kurzerhand aus dem Ohr und degradierte ihn damit zum sprichwörtlichen Schlitzohr.
Festgehalten hat das eigentümliche Initiationsritual des Nageleinschlagens wie auch viele weitere Augenblicke im Leben der „zünftigen Wanderbrüder“ der Chilene Tomás Munita. Dass der in Santiago lebende und für Medien wie GEO, National Geographic oder die New York Times durch die Welt reisende Dokumentarfotograf überhaupt auf die vorwiegend im deutschsprachigen Raum erhaltene Tradition der Walz aufmerksam wurde, ist einem Zufall geschuldet…
Die komplette Geschichte finden Sie in der PHOTOGRAPHIE Ausgabe 7-8/2021, PDF-Version oder im E-Paper.