Smartphones für Fotografen

BESSERE BILDER DANK KÜNSTLICHER INTELLIGENZ?

Sie sind unsere ständigen Begleiter, obwohl sie kaum noch bequem in die Hosentasche passen. Moderne Smartphones haben längst die Rolle eines kompakten Computers, eines Navigationsgeräts und nicht zuletzt auch einer Kamera übernommen. Wir schauen uns vier aktuelle Modelle an.

Neben Huawei und Samsung streiten vor allem OnePlus und Apple um die Gunst der Käufer von top Fotohandys. Für diese Ausgabe haben wir uns daher die McLaren-Edition des OnePlus 7T Pro sowie das iPhone 11 Pro angesehen. Mit dabei auch zwei Exoten: Mit dem Pixel 4 führt Google eindrucksvoll vor, wie weit die computergenerierte Fotografie gehen kann, und das Gigaset GX290 stellt unter Beweis, dass auch die härtesten Bedingungen in der Reportage-, Outdoor- oder Actionfotografie nicht das Ende eines Handys bedeuten müssen. Denn: Beim GX290 hält der IP68-Standard wirklich, was er verspricht. Ihr elegantes „wasserdichtes Smartphone“ lassen Sie bei diesem Einsatz lieber daheim.

ONEPLUS
Zwei Dinge haben sich die Ingenieure von OnePlus vor allem auf die Fahne geschrieben: Geschwindigkeit und Bildqualität. Da ist der Name McLaren für das von uns getestete Sondermodell des 7T Pro nur folgerichtig. Und die selbst gesteckten Ziele erreicht OnePlus mit Bravour. Die Bildqualität des Moduls aus drei Kameras inklusive einer 48-Megapixel-Hauptkamera mit Blende f/1,6 und 16-MP-Ultraweitwinkel (117 Grad Bildwinkel) zählt zweifelsfrei zum Besten am Smartphone-Markt. Die gekrümmten Ecken des 90-Hz-Fluid-Displays machen den Minicomputer zum absoluten Handschmeichler, Inhalte werden brillant abgebildet. Verzichten muss man beim OnePlus auf einen microSD-Slot, dafür ist es reich mit eigenem Speicher bestückt.

Bis ins kleinste Detail
Das OnePlus T7 Pro McLaren besticht durch eine rasante Leistung und ein ausgefallenes Design. 12 GB RAM und schnelle 256 GB UFS-3.0-Speicher beflügeln den User, ein eleganter Auftritt und pfiffige Lichtsignale (etwa für eingehende Nachrichten) emotionalisieren. Bei der Bildqualität fangen selbst Fotografen an zu staunen. Die Details, die Tiefen und Lichter – ganz gleich, ob in Innenräumen oder in der Sonne –, das McLaren macht eine wirklich tadellose Figur, der Akku hält lange durch und ist in nur 30 Minuten auf knapp 70 Prozent geladen. Selbst wenn Sie die Kamera mal nicht dabeihaben, auf die Qualität des T7 Pro können Sie sich verlassen

iPHONE 11
Apple stattet sein iPhone 11 erstmals mit einer dritten Kamera aus und ergänzt es um die Bezeichnung Pro. Neben einer verbesserten Akkulaufzeit, einem leistungsstärkeren Prozessor und einem kontrastreicheren OLED-Display fällt beim iPhone 11 Pro vor allem das dreiteilige Kamerasystem auf. Zum bewährten Duo aus 26- und 52-mm-KB-Objektiv gesellt sich ein Ultraweitwinkel mit 13 mm Brennweite. Alle drei Kameras lösen mit 12 Megapixeln auf und sind beim Fotografieren und Filmen einzeln ansprechbar. Der Wechsel zwischen den optischen Brennweiten und den digital berechneten Zwischenstufen erfolgt beim iPhone 11 Pro butterweich.

Ultraweitwinkel, ultragut?
Das „kleinste Objektiv“ öffnet bei Blende f/2,4, trotzdem macht die neue Kamera gerade bei der sonntäglichen Fototour Spaß. Gekrümmte Linien machen sich nur in engen Räumen oder bei sehr nahen Objekten bemerkbar. Ansonsten rechnet die Software diese souverän heraus. Was fehlt, ist der Zugang zur KI-gestützten Bildverbesserungsoption Deep Fusion sowie zu dem neuen Nachtmodus. Dies bleibt den beiden längeren Brennweiten vorbehalten, Letzterer auch nur, wenn die automatische Belichtungsmessung des iPhones die Lichtverhältnisse entsprechend schlecht einstuft. Dann erscheint in der Kamera-App ein gelbes Symbol. Erkennt der Bewegungs-sensor, dass das Smartphone zum Beispiel per Stativ fixiert ist, räumt das iPhone sogar bis zu 30 Sekunden Belichtungszeit ein. Nach dem Auslösen werden unterschiedlich belichtete Fotos in Millisekunden kombiniert.

Besser mit KI?
Mit dem Update auf iOS 13.2 hat Apple Deep Fusion für die 11er-Modelle nachgeliefert. Wie Smart HDR lässt sich diese Funktion nicht ein- oder ausschalten und greift lange, bevor der Nutzer den Auslöser drückt. Ist die Kamera-App geöffnet, fotografiert sie selbsttätig acht Bilder und speichert sie im Puffer. Beim Drücken des Auslösers kommt ein letztes Bild mit Langzeitbelichtung hinzu. Deep Fusion pickt sich schließlich das Beste heraus und fügt die Aufnahmen Pixel für Pixel zusammen.

Ein weicheres Bokeh
Apple hat den Übergang vom scharfen Motiv zum unscharfen Hintergrund weiter optimiert. Berechnungsfehler, etwa beim Übergang von Klei-dung zum Hintergrund oder bei der Freistellung von Haaren, gehören dennoch weiterhin zum Alltag. Aber eben deutlich gemildert. Außerdem lässt sich auch ohne zusätzliche Software die Intensität des Bokehs vor und nach der Aufnahme bearbeiten. Auch die Schärfe und die Farbdarstellung lassen sich innerhalb der Fotos-App filigraner als noch unter iOS 12 nachbearbeiten. Mit hochwertigen Drittanbieter-Apps kann der Umfang aber nicht mithalten. Der Griff zu Lightroom und Co. empfiehlt sich weiterhin für alle, die Bilder im RAW-Format speichern.

Pro-Apple?
Deep Fusion, Nachtmodus und die Triple-Kamera sind die stärksten Argumente für das iPhone 11 Pro. Vor allem im Vergleich zur Vorgängergeneration um das iPhone XS hat es das „Pro“ verdient. Apples Computer-Fotografie leistet zwar so einiges, kämpft aber weiterhin mit einem Bokeh, das längst nicht so natürlich aussieht wie bei einer traditionellen Optik. Die Bildergebnisse zählen zum Besten, was der Smartphone-Markt aktuell hergibt, Huawei und OnePlus zählen nach wie vor zu den stärksten Konkurrenten.

GOOGLE PIXEL 4
Google ist in Sachen Fotosoftware ganz weit vorn und macht die künstliche Intelligenz im Pixel 4 nochmals deutlich schlauer. Dem Trend zu Multi-Kamera-Einheiten folgend, stecken auf der Rückseite des Smartphones zwei Sensoren und Objektive, doppelt so viele wie beim Vorgänger.

Hybrider Zoom und besseres Bokeh
Die verdoppelte Hardwarebasis soll die Bildqualität beim Zoomen verbessern. Bisher wirkte Google Schärfeverlusten allein durch Bildverbesserungsalgorithmen entgegen. Das Pixel 4 hingegen kombiniert optische und digitale Ver-größerung zum „Super Resolution Zoom“. Dafür stellt Google der Standardweitwinkelkamera mit 16 Megapixeln Auflösung (f/1,7, 27 mm KB-äquivalent) eine leichte Telekamera (f/2,4, 50 mm, 12,2 Megapixel) mit zweifacher Vergrößerung zur Seite. Gezielt zwischen beiden Festbrennweiten lässt sich nicht wechseln, stattdessen verkleinert man den Bildausschnitt mit der Fingerzangengeste oder mit einem Schieberegler maximal um den Faktor 8. Die Bedienoberfläche bietet generell wenig Zugriff auf Fotoparameter. Google nimmt einem ähnlich viel aus der Hand wie Apples minimalistische Kamera-App.
Trotz hybriden Zooms ist die Schärfe bei bis zu dreifacher Vergrößerung außerordentlich gut. Darüber hinaus kann sie aber mit einem optischen Zoom nicht mithalten. Das 5-fach-Tele beispielsweise des Xiaomi Mi Note 10 ist überlegen. Dennoch ist die Dual-Kamera ein Gewinn.
Auch für den Porträtmodus bietet sie Vorteile. Weil nun zwei Einheiten den Abstand zum Motiv messen, lässt es sich präziser mit künstlicher Unschärfe freistellen. Dadurch gelingt es der Software, Objekte auch auf größerer Entfernung vom Hintergrund zu unterscheiden. Umgekehrt ist die Nahdistanz im Porträtmodus auf etwa zehn Zentimeter geschrumpft. So lässt sich die Bokeh-Simulation auch bei Nahaufnahmen anwenden. Bei anderen Geräten ist die Entfernungsspanne, innerhalb der die Software Bokeh errechnen kann, deutlich eingeschränkter. Generell überzeugt das künstliche Bokeh auch bei schwierigen Fällen wie Haar und Fell. Ein Tracking-AF verhindert bei einem unruhigen Gegenüber, dass die Unschärfemaske an falscher Stelle platziert wird.

Manuell belichten
An anderer Stelle bohrt Google die Kamera-App nicht mit Hardware, sondern rein mit Software auf. Praktisch sind die neuen dualen Regler zur Belichtungskorrektur. Mittels Tone-Mapping lassen sich die Tiefen und Lichter getrennt regulieren. Das ist prima in Hochkontrastsituationen, denn es gelingt der automatischen Belichtung, Details in dunklen Bildbereichen besser zu bewahren als in hellen. Darum empfiehlt es sich häufig, die Belichtung zu verringern und die Tiefen aufzuhellen. Insgesamt aber kommt das Pixel 4 mit extremen Helligkeitsunterschieden gut klar. Wie das fertige Foto aussieht, erkennen Nutzer jetzt sofort und nicht erst nach der internen Bearbeitung. Live HDR+ nennt Google diese Technik. Ein Update gibt es auch für Googles Nachtmodus, der ohnehin schon einen guten Ruf hat. Indem er mehrere Bilder aufnimmt und intern verrechnet, ermöglicht dieser Modus auch bei sehr wenig Licht noch scharfe Aufnahmen. Dafür braucht man das Gerät nicht auf ein Stativ zu stellen. Tut man es doch, merkt der Bewegungssensor des Pixel 4 dies und verlängert die Belichtungszeit auf bis zu vier Minuten. Das erleichtert die Astrofotografie, bei der Sterne am Nachthimmel klar und ohne Nachleuchtspuren abgebildet werden. In der Praxis nachvollziehen ließ sich das im wolkenverhangenen Stadthimmel über Hannover aber nicht. Bei der Bildverbesserung im Hintergrund setzt Google auf maschinelle Lernverfahren der künstlichen Intelligenz. Die KI erledigt einen guten Job. Die Bildqualität des Pixel 4 überzeugt durch natürliche Farben, einen hohen Dynamikumfang und eine in der Regel klasse Belichtung – sowohl bei gutem als auch bei schlechtem Licht. Zaubern kann aber selbst Google nicht. Daher schnellt das Rauschen in dunklen Bildbereichen bei Nachtaufnahmen erstaunlich rasch in die Höhe. Bei der Nachbearbeitung sollte man die Tiefen lieber nicht zu sehr aufziehen.

Kompakt und gut?
Auf dem 90-Hz-Display des Pixel 4 lässt sich butterweich durch die Fotoausbeute scrollen. Mit 5,7 Zoll Diagonale fällt der Bildschirm – und damit auch das Gehäuse – sehr kompakt aus. Dafür passt auch nur ein kleiner 2.800-mAh-Akku in das Gerät. Alternativ bietet das Pixel 4 XL jeweils etwas mehr (6,3 Zoll, 3.700 mAh). Beide Geräte geizen mit wahlweise 64 oder 128 GB am Speicher und akzeptieren keine microSD-Karte. Das Google Pixel 4 demonstriert wie derzeit kein zweites Gerät, wie sich mit „computational photography“ eine sehr hohe technische Bildqualität in einem kompakten Smartphone realisieren lässt. Insbesondere Nachtfotografie, neutrale Farbwiedergabe und Bokeh-Simulation gelingen dem Pixel 4 besser als anderen Spitzengeräten. Als Fotoreferenz taugt das Pixel 4 aber dennoch nicht, weil Google ein Ultraweitwinkelobjektiv weiter für entbehrlich hält.

GIGASET
Das Gigaset GX290 verfügt über so manche Fotofinessen, die aktuelle Smartphones kennzeichnen. Eine zweite Optik, die die Haupt-Ultraweitwinkellinse bei der Bokeh-Simulation unterstützt, einen HDR- und einen High-Res-Modus für mehr Detailreichtum. Kaum ein Outdoor-Handy ist fototauglicher. Trotzdem ist das 300-Euro-Gerät kein ausgemachter Fotokünstler. Dazu hinkt die Bildqualität der in teureren Modellen zu eindeutig hinterher. Der Dynamik- und Detailumfang, den die JPEG-Engine aus dem 13-Megapixel-Sensor von Sony herausholt, lässt insbesondere bei kontrastreichen Szenen zu wünschen übrig. Die hinter den Kulissen arbeitenden Bildverbesserungsalgorithmen von Fotosoftware-Hersteller ArcSoft erzielen kaum Ergebnisse, die hohen Ansprüchen genügen.

In jeder Lebenslage!
Dennoch ist das Gigaset GX290 als Begleiter für Fotoeinsätze interessant. Als ausgewiesenes Outdoor-Handy folgt es auch dahin, wo es ungemütlich ist. Wenn es beim Shooting im Wald, auf der Feuchtwiese oder am steinigen Bergseeufer mal herunterfällt, macht ihm das nichts aus. Denn gemäß IP68-Standard ist es gegen Wasser, Schmutz und Stürze geschützt. Bis zu einem gewissen Maße vor Kratzern gefeit ist das 6,1 Zoll große HD-Display durch Corning Gorilla Glas vom mittleren Härtetyp 3. Die relativ hohe Helligkeit von 580 cd/m2 ermöglicht eine Motivkontrolle im Sonnenlicht.
Kommt vorwiegend die herkömmliche Kamera zum Einsatz, taugt das Android-9-Smartphone dank schnellem Wi-Fi 4 und LTE Cat. 6 als Funkbrücke, um Fotos aus der Wildnis schnell in die weite Welt zu schicken oder in der Datenwolke zu sichern. Der außergewöhnlich starke Akku hält dank einer Kapazität von 6.200 mAh auch längere Fototouren durch. USB On-The-Go macht das Smartphone zur Powerbank und erlaubt das Laden von externen Geräten. Geht einer anderen Ausrüstungskomponente der Saft aus, lohnt es sich daher allein schon deswegen, das GX290 dabeizuhaben. Um leichtes Gepäck handelt es sich allerdings nicht. Mit knapp 280 Gramm Gewicht und rund 1,5 Zentimetern Dicke beult das GX290 die Jackentasche ziemlich aus.
Im Vergleich mit anderen fototauglichen Smartphones ist das GX290 ein wahrer Haudegen – im Guten wie im Schlechten. Der mäßigen Bildqualität stehen ausgewiesene Nehmerqualitäten und ein mächtiger Akku gegenüber.

Die komplette Ausgabe 03/2020 finden Sie im e-paper.

 

Text & Praxisfotos: Berti Kolbow-Lehradt, Julia Froolyks, Tobias F. Habura