Samsung Galaxy Note 10+ im Praxistest

DAMIT MACHT DIE NACHTSCHICHT SPASS

Drei Festbrennweiten hinten, XXL-Display, Stylus-Bedienung, starker Nacht- und PC-Modus: Samsungs Arbeitstier überzeugt mit vielen Talenten.

Die zehnte Generation der Note-Reihe splittet Samsung erstmals in zwei Modellvarianten auf. Das 0,5 Zoll größere Note 10+ erweist sich dabei als besonders starkes Kraftpaket mit unübersehbarer physischer Präsenz. Im üppigen und fast rahmenlosen 6,8-Zoll-Display möchten wir mit den Augen versinken. Mit einem AMOLED-Panel ausgestattet und in WQHD+-Auflösung bietet es brillante Farben, Kontraste und eine knackige Schärfe. Angesichts der hohen Displayhelligkeit und des IP68-geschützten Gehäuses spricht nichts gegen einen Außeneinsatz. Ein Mikrofasertuch für die todschicke und rutschige Vollglashülle kann aber nicht schaden. Unter dem edlen Outfit lässt das Note 10+ die Muskeln spielen: Die opulente Rechenpower reizt niemand aus, den Arbeits- und Festspeicher hat Samsung im Vergleich zum Note 9 verdoppelt. Daten funkt das Note 10+ mit maximal Wi-Fi 6 und 5G.

Gut sortierte Kameraabteilung
Statt zwei Festbrennweiten wie beim Vorjahresmodell fotografiert und filmt jetzt ein Trio auf der Rückseite. Dieses besteht aus einem Ultraweitwinkel (16 mm, f/2,2, 16 Megapixel), einem Standardweitwinkel (26 mm kleinbildäquivalent, f/1,5, 12 Megapixel) und einem leichten Tele (52 mm, f/2,1, 12 Megapixel). Die im Verhältnis zum Standardobjektiv zweifache Vergrößerung des Teles fällt konservativ aus. Abgesehen davon ist das Note 10+ reichhaltig ausgestattet. Standard- und Telelinse sind optisch stabilisiert. Videos speichert das Smartphone in UHD 4K und in Slow Motion mit bis zu 960 Bildern pro Sekunde bei HD-Qualität. Für eine besonders präzise künstlerische Hintergrundunschärfe soll sowohl bei Fotos als auch Videos eine zusätzliche Time-of-Flight-Kamera sorgen.

Starke App mit Vollausstattung
Tatsächlich vermag die ToF-Kamera im sogenannten Live-Fokus-Modus bei Porträts Vorder- und Hintergrund präzise zu unterscheiden. Außerdem gefallen uns die simulierte Unschärfeintensität und mehrere Bokeh-Effekte. Das Hype-Thema KI breitet Samsung nicht so aufdringlich aus wie die Konkurrenz. Trotzdem sind eine separate Neura-Processing-Unit und maschinell geschulte Softwarefunktionen an Bord. Sie analysieren Motive, peppen diese bei eingeschalteter Szenenerkennung angenehm zurückhaltend auf oder geben Tipps für Bildkomposition. Ferner überzeugt die Kamera-App mit einer Vollausstattung an Betriebsmodi. In fast allen sind die drei Brennweiten per Tastendruck verfügbar. Nur im Live-Fokus-Modus fehlt der für Porträts eher untaugliche Ultraweitwinkel, während der Pro-Modus einzig die Standardweitwinkel-Optik bereitstellt. Wer im RAW fotografieren möchte, wählt die Pro-Einstellung. Zwingend nötig ist das nicht. Die JPEG-Dateien sind so gut aufbereitet, dass sich aus den DNG-Rohdaten kaum mehr herausholen lässt.

Bildqualität top, Highlight Nachtmodus
Kamerahardware und Bildverbesserungsalgorithmen hat Samsung gut aufeinander abgestimmt. Die Bildqualität spielt in dieser Modellsaison ganz vorn mit. Die Automatiken treffen sehr gute Entscheidungen. Die Farbwiedergabe vor allem der Hauttöne ist angenehm, die Belichtung ist ausgewogen, wenn auch mit einer etwas zu dunklen Tendenz direkt aus der Kamera. Insbesondere der Nachtmodus bewegt sich bei Dynamikumfang und Detailgrad auf Spitzenniveau. Er ermöglicht scharfe Aufnahmen unbewegter Objekte bei Schummerlicht aus freier Hand. Außerdem korrigiert die Software das Ultraweitwinkel sehr gut und hält die Verzerrung im Zaum.

Stiftbedienung als netter Bonus
Nur geringen Mehrwert fürs Fotografieren bietet der für die Note-Reihe charakteristische Stylus. Der sogenannte S Pen funkt mit Bluetooth und kann daher als Fernbedienung für Kamera- und Galerie-App dienen. Aus der Distanz auszulösen, ist für Selbstporträts und Tiefaufnahmen noch ganz praktisch. Doch mit Kreis- und Schwenkgesten durch Modi und Bilder zu wechseln, empfinden wir nicht als Vorteil. Mit dem Finger gelingt das schneller. In Editing-Apps bietet der Stift keine Extrafunktionen, trifft aber bei der selektiven Nachbearbeitung präziser als die Fingerkuppe.

Immer besserer PC-Ersatz
Etwas praxistauglicher ist der Desktop-Modus DeX geworden. Mit einem ganz normalen USB-C-Kabel lässt sich das Note 10+ im Nu an einem Monitor oder wahlweise am PC und Mac anschließen. Dann erscheint eine Windows-ähnliche Optik, in der wir Apps wie Photoshop Express und Lightroom CC nun auch im Vollbildmodus mit Maus und Tastatur steuern können. Das Note 10+ bleibt dabei eigenständig nutzbar. Weil es sich dabei nur um die mobilisierten Varianten der Programme handelt, ist die Bildbearbeitung noch nicht ganz mit dem Desktop-Einsatz vergleichbar. Wer aber unterwegs – gar an einem fremden Rechner – mit seinen Programmen und Dateien arbeiten möchte, profitiert von diesem Hybridmodus.

Smartphone mit besonderer Note
Das Samsung Galaxy Note 10+ macht es Fotointeressierten einfach, es zu mögen. Das Modell bietet ein hervorragendes Gesamtpaket aus Design, Hardware und Software, sowohl im Fotobereich als auch darüber hinaus. Bildqualität und Handhabung sind exzellent. Nur beim Zoomfaktor der Telelinse erlaubt sich Samsung eine Lücke zu Huawei und OnePlus. Stiftbedienung und DeX-Modus sind bei Fotografie und Bildbearbeitung nicht zwingend nötig, geben aber womöglich den Ausschlag gegenüber dem günstigeren Huawei P30 Pro oder One-Plus 7 Pro. Für die insgesamt reichliche Ausstattung verlangt Samsung einen ambitionierten Preis: 1.099 Euro bzw. 1.199 Euro bei 512 GB oder 5G.

Die komplette Ausgabe 1-2/2020 finden Sie im e-paper.

 

Text & Praxisfotos: Berti Kolbow-Lehradt