Fujifilm GFX100 II in der Praxis

PIXELMASSEN AUF SPEED

Gemessen an seiner Leistung ist Fujifilms neues Mittelformat-Flaggschiff geradezu ein Schnäppchen. Wir haben die GFX100 II intensiv in der Praxis getestet.

Sie ist nicht nur deutlich kompakter als ihr Vorgänger GFX100 – Fujis neues Spitzenmodell der Mittelformat-Reihe, die GFX100 II, schlägt das ältere Modell auch in anderer Hinsicht um Längen. Das geht beim rund 3.000 Euro niedrigeren Einstiegspreis los (die GFX100 kostete bei ihrer Vorstellung knapp 11.000 Euro, die IIer-Version gibt`s bereits für 8.000 Euro). Auch in Sachen Performance sieht das ehemalige Flaggschiff schon bei einem kurzen Blick in die Datenblätter ziemlich alt aus.

Details, Dynamik und Daten
Waren digitale Mittelformatkameras in der Vergangenheit eher so etwas wie die Lastkraftwagen der Fotografie (also mit jeder Menge Hubraum und Ladefläche) so nimmt sich die GFX100 II fast schon wie ein Sportwagen aus – ohne dabei auf die Tugend des großen Sensors zu verzichten: Details, Dynamik und Daten satt. Denn auch das neue Flaggschiff der GFX-Serie spielt gigantische Bilddateien die Speicherkarten (CFexpress und SD UHS-II), die Fineart-Drucke von

73 x 98 cm Größe problemlos möglich machen und jede Menge Reserve für Ausschnitte lassen. Im Vergleich zu den 102-Megapixel-Verwandten GFX100 und der etwas kompakteren GFX100S hat Fujifilm bei der Neuen aber noch einmal massiv Hand angelegt. Etwa beim komplett neu entwickelten CMOS-II-HS-Sensor. Der bietet mit knapp 44 x 33 mm ebenfalls die 1,7-fache Fläche des Kleinbilds, wird aber nun doppelt so schnell ausgelesen und macht Videos in 8K-Auflösung (mit 30p!) möglich.

Auch in Sachen Bildqualität hat der Highspeed-Sensor mit seiner neuen Pixelstruktur und optimierten Mikrolinsen im Zusammenspiel mit Fujis X-Prozessor 5 sichtbar einen weiteren Sprung nach vorne gemacht: Unsere Testbilder mit einem Vorserienmodell liefern selbst bei hohen ISO-Werten Top-Bildqualität ohne Nachbearbeitung und bestechen mit einer geradezu packenden Dynamik und Detailgenauigkeit, wie wir sie bislang bei kaum einer Kamera gesehen haben.

Fuji-Rekord: Bildstabilisation bis 8 EV
Ebenfalls eine Bestmarke setzt die sensorbasierte IBIS-Bildstabilisation, die mit einigen Objektiven des GFX-Programms (wie dem 2,8/63 mm oder dem 1,7/80 mm) auf schon fast unglaubliche 8 Lichtwerte Verwacklungskompensation kommt. So entstehen Bilder wie das mit der kleinen Spinne unten aus freier Hand und bei Nacht; so werden 102 Megapixel nicht nur trag-, sondern auch ohne größere Umstände beherrschbar! Netter „Nebeneffekt“ des beweglich gelagerten Sensors: Multishot-Aufnahmen mit bis zu 400 Megapixeln Auflösung – falls die 11.648 x 8.736 Bildpunkte mal nicht ausreichen sollten.

Das AF-System setzt Maßstäbe
Fujifilm empfiehlt sein jüngstes Profimodell nicht ohne Stolz auch Sport- und Actionfotografen, denn man hat das AF-System stark verbessert und auf das Niveau aktueller Vollformat-DSLM der höheren Klassen gehoben. Und tatsächlich stellt die GFX100 II deutlich schneller und genauer auf Gesichter und Augen scharf und kann mit ihrer KI-basierten Erkennungstechnologie zahlreiche Motive wie Menschen, Tiere, Fahrzeuge oder Flugzeuge tracken. Dennoch ist der Bolide schon vom Prinzip her nicht die erste Wahl für Fotografen, die Agenturen oder Redaktionen mit brandaktuellen Fußball- oder Eishockey-Shots versorgen müssen – dafür ist das Angebot an hochgeöffneten Teleobjektiven (und -Zooms) im Mittelformat naturgemäß zu gering oder nicht vorhanden. Dennoch kann man die neue Fujifilm getrost als die schnellste Mittelformatkamera der Geschichte bezeichnen. Bei Portraits mit offener Blende (schon eher die Domäne der großen Sensoren) bietet sie dem Fotografen die fast schon traumwandlerische Sicherheit, dass der Fokus wirklich auf der Pupille und nicht knapp daneben auf den Wimpern oder dem Nasenrücken liegt. Selbst wenn sich das Model flott bewegt, folgt der Autofokus dem Gesicht oder Auge mit einer enormen Zuverlässigkeit, wie man sie bislang im Segment oberhalb des Vollformats so nicht kannte. Die automatische Scharfstellung ist derart zuverlässig, dass man den (etwas hakeligen) Joystick bei Porträts von Menschen und Tieren so gut wie gar nicht benötigt, weil das Messfeld fast immer genau da sitzt, wo es sitzen soll.

Fazit: Mehr Mittelformat geht kaum
Eine wahre Augenweide ist auch der neue Sucher. Der (abnehmbare) EVF-GFX3 vergrößert 1-fach im Kleinbildäquivalent und löst satte 9,44 Millionen Bildpunkte auf. Überhaupt sind Haptik und Handling bei der GFX100 II exakt auf jenem Niveau, das ein ambitionierter Amateur oder ein Profi erwarten. Unterm Strich fällt uns nach unserem zweitägigen Praxistest des neuen Fuji-Familienoberhaupts ein Begriff ein: Faszination. Vor allem dafür, wie es Fujifilm gelingt, die Tugenden der Vollformatfotografie und die Leistungsreserven des Mittelformats so elegant unter einen Hut zu bringen.