EMOP: Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein

Pioniere der Skifotografie

Es sind die harten Kontraste sowohl zwischen Schwarz und Weiß als auch zwischen der Erhabenheit der Berglandschaft und der Winzigkeit des Menschen, die den Fotosammler Daniel Müller-Jentsch für die Bilder der Pioniere in der Skifotografie begeistern: Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein sind eine Entdeckung wert.

Sich darüber im Klaren zu sein, auf welchem Stand sich die Fototechnik in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts befand, ist nicht ganz unerheblich bei der Betrachtung der Bilder von Emanuel Gyger (1886–1951) und Arnold Klopfenstein (1896–1961). Denn dann offenbart sich ihr Genie, sich die gleißende Sonne auf Schneeweiß mit damals unglaublichen Verschlusszeiten zunutze zu machen und so schon früh gestochen scharfe Sportaufnahmen hervorzubringen. Ihr Sachverstand über die optimale Tageszeit für eine stimmungsvolle Ausleuchtung, über die Konsistenz des Schnees für den größtmöglichen Effekt und über die Topografie für die perfekte Dramatik zeichnen die beiden aus. Doch die Namen Gyger und Klopfenstein stehen nicht nur für künstlerisches Feingefühl, sie implizieren auch ein besonderes handwerkliches Geschick im Hinblick auf die Nachbereitung von Aufnahmen in der Dunkelkammer. Durch die Technik des „Abwedelns“ etwa wurden die ohnehin dominanten Kontraste noch verstärkt. Ein Aspekt, der den Arbeiten der beiden ihre besondere Handschrift verleiht.

Die fotografischen Anfänge

Emanuel Gyger eröffnete 1909 nach einer Ausbildung beim Fotografen Fritz Gysling in Spiez sein eigenes Geschäft in Adelboden im Schweizer Kanton Bern und gründete gleichzeitig einen erfolgreichen Postkartenverlag, in welchem er seine eigenen Aufnahmen vertrieb. Der 10 Jahre jüngere Arnold Klopfenstein wurde sein Lehrling und später treuer und langjähriger Geschäftspartner. Um die zahllosen Alpenpanoramen und Schneepisten abzulichten, gingen die beiden regelmäßig gemeinsam auf Expedition und ließen sich von den magischen Landschaften inspirieren. Ihre Ideen und fotografischen Ansichten verschmelzten dabei immer mehr zu einem, sodass eine gemeinsame Bildsprache entstand. In der Konsequenz lässt sich heute bei vielen Bildern nicht mehr nachvollziehen, wer von beiden ein Foto tatsächlich umgesetzt hat. Die Künstler werden deshalb als Fotografenduo behandelt.

Ein „Handicap“ eröffnet künstlerische Möglichkeiten

Da Emanuel Gyger in der Jugend ein Auge verloren hatte, war er im räumlichen Sehen zwar eingeschränkt, doch eröffnete ihm sein Handicap auch ungeahnte künstlerische Möglichkeiten. So sah er die Welt um sich herum dauerhaft wie durch den Sucher einer Kamera, hatte also permanent einen „fotografischen Blick“ auf seine Umgebung. Außerdem entwickelte Gyger in Folge einer natürlichen Kompensationsleistung des Gehirns eine ausgeprägte Sensibilität für Licht und Schatten. So entstanden harte Kontraste, mit denen sich die Bilder von den damals gängigen Landschafts- und Sportfotografien deutlich abheben. Ein Charakteristikum, das den Schweizer Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler Daniel Müller-Jentsch auf der Suche nach außergewöhnlichen Fotografien als Wandschmuck begeisterte. Die ersten Stücke seiner akribisch aufgebauten Sammlung stammen von dem Doyen der Schweizer Bergfotografie, Paul Hugger. Müller-Jentsch spezialisierte sich auf die Skifotografie von Gyger und Klopfenstein, die in Relation zum Gesamtwerk, welches 10.000 Fotografien umfasst, zu Lebzeiten der beiden Künstler lediglich ein Nebenwerk darstellte, heute aber als Hauptwerk gesehen wird. Dabei handelt es sich meistens um Postkarten, echte Fotoabzüge auf Barytpapier, die möglicherweise wegen ihrer „kleinen Form“ erst so spät – nach immerhin hundert Jahren – von Fotohistorikern und Sammlern Aufmerksamkeit und Würdigung erhalten haben.

European Month of Photography

Innerhalb der Ausstellung „Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein – Pioniere der Skifotografie“, die während des European Month of Photography im Oktober 2020 in Berlin zu sehen sein wird, werden die Aufnahmen in Postkartenform bewusst in den Mittelpunkt gerückt und in Gruppenhängungen präsentiert. Neben den Fotografien von Gyger und Klopfenstein wird in den Räumlichkeiten eines Stuckaltbaus in der Nollendorfstraße 5 auch zusätzliches Bild- und Textmaterial, darunter auch Tourismusbroschüren gezeigt. Bilder von anderen bekannten Skifotografen ergänzen die Ausstellung thematisch und lassen einen direkten Vergleich der Arbeiten zu. Der Besucher taucht ein in die Skikultur der 1920er und 1930er Jahre und lernt eine Zeit kennen, in der der Wintersport den Ausbruch aus Alltag und gesellschaftlichem Zwang ermöglichte.

Die Ausstellung ist vom 1. Oktober bis 1. November 2020 in Berlin an der Nollendorfstraße 5 besuchbar.

Mehr Infos unter: pionierederskifotografie.de