Blütenpracht in der Galerie Andreas Binder

Zwischen Fotografie und Malerei

Mit “Stockage” präsentiert die Galerie Andreas Binder bis zum 30. Januar erstmals eine Einzelausstellung der Künstlerin Luzia Simons. Bereits der Titel der Ausstellung (Stockage – dt.: Lagerung) macht deutlich, dass es sich bei den großformatigen Blütenstillleben nicht einfach nur um eine Hommage an die barocke Malerei und die Rezeption des Vanitas-Motivs handelt …

Luzia Simons, die im Alter von 23 Jahren von Brasilien nach Europa kam, beschäftigt sich hinter der ästhetischen Oberfläche ihrer zwischen Fotografie und Malerei angesiedelten Werke mit zentralen Fragen der Identität als soziokultureller Konstruktion und einem globalen Bewusstsein im Spiegel kultureller Unterschiede und Besonderheiten.

Vor dem Hintergrund dieser Schnittstelle zwischen Offensichtlichem und kulturellem Code, nacktem Abbild und Metapher entwickelte sie von 1995 an ihre eigene Aufnahmetechnik, das „Scannogramm“, bei dem Blüten und Pflanzen unmittelbar gescannt werden. Die Besonderheit dieser Prozedur besteht darin, dass hier die Sichtweise auf das Motiv – anders als in der Fotografie – ohne zentralen Blickwinkel auskommt und der Akt der Ablichtung in direkter Weise geschieht.

Einst konstruiert zur Digitalisierung von Dokumenten hat der Scanner weder Linse noch Fokus. Er kennt nur das Nebeneinander, bei dem die Nähe bewirkt, dass alles Vordergründige gleichermaßen hell und detailgenau ist und sich alles tiefer Gehende perspektivlos im Dunkel verliert. Objektiv und ungeschönt baut der Scanner Pixel für Pixel ein Abbild der Blumen auf, wobei nicht nur die idealen Formen aufblühender Schönheit, sondern auch die Fehler, Störungen und der beginnende unaufhaltsame Verfall sichtbar werden. Die natürliche Entwicklung der Blume ist hier Sinnbild für die fortschreitende Globalisierung und die damit einhergehenden Fragen nach interkultureller Identität.

Aus dem Orient stammend wurde die Tulpe dort einst als begehrte Blüte mit Gold aufgewogen und entwickelte sich so zu einem Statussymbol. Sie wurde nach Europa gebracht, in den Niederlanden durch Züchtung verändert und erreichte schließlich in neuen Varianten erneut ihre alte Heimat. Die Ikonografie der Blume als künstlerische Position, die fotografischen Hyperrealismus und metaphorische Absicht miteinander verbindet, wird so bei Luzia Simons zum Symbol für kulturelle Migration, interkulturellen Austausch und die damit verbundene schleichende Veränderung ästhetischer Bedeutung im Spiegel einer globalen Ökonomie.

Zudem werden in der Ausstellung Arbeiten aus der Serie Lustgarten, die zuvor lediglich in Frankfurt gezeigt wurden, sowie ein neuer Wandteppich zu sehen sein.

Luzia Simons (geb. 1953 in Brasilien) lebt und arbeitet in Berlin. Ihr Studium für bildende Kunst an der Sorbonne Paris schloss sie 1986 ab. Seit 1998 Teilnahme an vielen nationalen sowie internationalen Ausstellungen (Auswahl): me Collectors Room, Stiftung Olbricht, Berlin / MOCAK, Kraków, Polen / AMC Art & Mind Center, Nagoya, Japan / Biennale De Mains De Maîtres, Luxemburg / Oscar Niemeyer Museum, Curitiba, Brasilien / Museu de Arte Moderna de São Paulo, Brasilien / Museen Dahlem, Berlin / Kunsthalle Emden / Tokyo Art Museum, Japan / Martin-Gropius-Bau, Berlin / Sanya Museum of Contemporary Art, Sanya, China / Archives Nationales de Paris, Frankreich, etc.
www.andreasbinder.de