Tom Nagy mit dem Bildband „Solitaire. Faces of Antarctica“

Porträt vom „Ewigen Eis“

Gewaltig, was der bekannte Fotograf Tom Nagy und der Kerber Verlag mit dem Bildband „Solitaire. Faces of Antarctica“ hervorgebracht haben: riesige Eisberge und epische Landschaften in sagenhaftem Licht. Wer glaubt, in der Antarktis biete sich das immer gleiche Bild, wird hier eines Besseren belehrt.

Nie wieder wird Tom Nagy den gleichen Bergen, den gleichen Landschaften begegnen, so wie viele andere Besucher dieses faszinierenden Kontinents. Denn die Arktis ist in ständiger Bewegung, einem riesigen Organismus gleich – und sie vergeht, das Eis löst sich in seine Bestandteile auf. So ist jedes im Buch enthaltene Bild ein Unikat, die Aufnahme eines Momentes, der nie wiederkehren, aber fotografisch festgehalten für die Nachwelt erhalten bleiben wird. In diesem Werteverständnis schuf Nagy regelrechte Skulpturen von schäumenden Wellen und Bergen aus Eis.

„Still ruht der See“: Tom Nagy wählte für die Porträts der Formationen stilles Gewässer, um sie stärker aus ihrem Umfeld heraus zu lösen, das er durch die abgedunkelte Beleuchtung im Ungefähren lässt. Wo einem ansonsten flächiges, grelles Weiß entgegen strahlt, lässt Nagy durch seine feintonige Machart Strukturen hervortreten und verleiht jedem Objekt eine faszinierende Einzigartigkeit.

In den Landschaftsaufnahmen sieht man Bruchstücke des Eises in ihr weitläufiges Umfeld eingebettet. Die Faszination des Fotografen angesichts dieser überbordenden Naturschönheit ist den Fotografien zu entnehmen, im Spiel mit dem Licht entstehen atemberaubenden Ansichten für den Betrachter und Leser. (Nur selten lässt sich der Fotograf hinreißen, Bilder zu zeigen, deren Besonderheit nur ihm selbst zugänglich ist.) – Das ganze Buch ist ein einziges Schauspiel. Es lässt einen in bedächtiger Stimmung zurück.

Zu sehen sind auch wuchtige Wellen. Man glaubt, das dröhnende Getöse zu hören, fast schon wütend. Wie heißt es so oft am Grab eines Menschen: „Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden.“ Es gibt keine Ewigkeit. Auch kein Ewiges Eis: Aus Wasser bist Du entstanden, zu Wasser sollst Du werden.

Autorin: Andrea Spaeth