„Helmut Newton. SUMO“ – „Mark Arbeit / George Holz / Just Loomis. Three Boys from Pasadena“ – „Private Photo Collection of Helmut and June“

Feuerwerk der Künste

Ein in diesem großen Format bislang einmaliges Fotobuch, eine private Fotosammlung und drei ehemalige Assistenten von Helmut Newton, die selbst schon sehr lange sehr gut im Geschäft sind: Das sind die Zutaten für die neue Ausstellung in der Helmut Newton Stiftung Berlin, die am 6. Juni eröffnet wird und bis zum 10. November 2019 läuft.

1999, vor 20 Jahren, veröffentlichte der Taschen-Verlag sein erstes monumentales Kunstbuch: Helmut Newton. SUMO. Es kam in einem ungewöhnlich großen Format von 70 x 50 cm und in einer Auflage von 10.000 Exemplaren auf den Markt, alle vom Fotografen handsigniert und ausgeliefert mit einem von Philippe Starck entworfenen Metallständer. Darauf ruht es seitdem in vielen großzügig geschnittenen Sammlerwohnungen, während von Zeit zu Zeit wohl eine der postergroßen Seiten umgeblättert wird. Kurz nach Erscheinen wurde ein Exemplar, das von einigen der von Newton porträtierten internationalen Kulturgrößen zusätzlich signiert worden war, bei einer Charity-Auktion für über 600.000 DM versteigert – und damit zum teuersten Buch des 20. Jahrhunderts, ein weiterer Superlativ.

2009, vor zehn Jahren, organisierte die Helmut Newton Stiftung eine ungewöhnliche, gewissermaßen adäquate Ausstellung rund um die legendäre Publikation: Die 464 Buchseiten hingen gerahmt nebeneinander an der Wand, in drei Reihen übereinander. Die Besucher*innen konnten – anders als beim sukzessiven Blättern durch das Buch – in der Ausstellung sprichwörtlich alles auf einmal sehen und wurden von den mehr als 400 Fotografien gleichsam eingerahmt. So war es möglich, Newtons ikonische Bilder, insbesondere aus den Genres Mode, Porträt und Akt, einige in Schwarz-Weiß und andere in Farbe, individuell und über die unterschiedlichen Entstehungszeiten von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre miteinander in Beziehung zu setzen. Anlässlich jener Ausstellung erschien im Taschen-Verlag die verkleinerte Version des SUMO, die bis heute auf dem Buchmarkt erhältlich ist.

Nun, weitere zehn Jahre später, wird SUMO wieder in der Helmut Newton Stiftung präsentiert, über- und nebeneinander, der Reihenfolge im Buch folgend: Wir begegnen unter anderem Newtons berühmten „Big Nudes“ und anderen Aktaufnahmen, zahlreichen Modebildern für die unterschiedlichen Ausgaben von Vogue, Elle, Stern oder Vanity Fair sowie Porträts bekannter Schauspieler*innen oder Künstler, darunter Liz Taylor und Jodie Foster oder Salvador Dalí und Andy Warhol. So breitet sich Newtons Werk hier – anders als üblich – in der nach ihm benannten Stiftung aus, und selbst diese große Bildauswahl ist nur ein winziger Ausschnitt aus dem gigantischen Œuvre voller zeitloser Eleganz und subtiler Verführung.

Eingeleitet wird die Publikation von einem autobiografischen, englischsprachigen Text Helmut Newtons, der sich wie die anderen gerahmten Buchseiten ebenfalls an einer Ausstellungswand wiederfindet und mit dem uns der Fotograf auf eine Zeitreise mitnimmt, nach Berlin, wo er bei Yva ausgebildet wurde, nach Singapur, Australien und Paris, wo Anfang der 1960er-Jahre insbesondere bei der französischen Vogue seine unvergleichliche Karriere begann. Ab 1980 kamen Aktaufnahmen und etwas später zahlreiche Porträts hinzu, vor allem in Hollywood, wo Helmut und June Newton im Hotel Chateau Marmont jedes Jahr einige Monate verbrachten. Und in Kalifornien traf Newton auch die drei jungen Fotostudenten Mark Arbeit, George Holz und Just Loomis, die ihm in den folgenden Jahren assistierten.

Begleitet wird Newtons SUMO-Ausstellung wie vor zehn Jahren von Arbeiten jener Three Boys from Pasadena. Anders als 2009 werden deren Werke dieses Mal räumlich getrennt voneinander gezeigt. Jedem der drei amerikanischen Fotografen wird ein eigener Raum zur Verfügung gestellt, in dem die früheren Werkgruppen, die sich seit Jahren als Zustiftung in der Berliner Newton-Sammlung befinden, von aktuellen Aufnahmen umgeben sind, insgesamt jeweils mehr als 50 Fotografien pro Künstler und Ausstellungsraum. Die Art der Präsentation begegnete uns hier bereits in der früheren Ausstellung „Guy Bourdin. Image Maker“.

Mark Arbeit ergänzt lebensgroße Fotogramme von weiblichen Aktmodellen, die sich während der Belichtung auf das Fotopapier gelegt haben, sowie kleinformatige Fotogramme von Spielzeugpuppen, die eine Hommage an Helmut Newton und dessen Leidenschaft für solche Figuren darstellen. In Helmut Newton’s Private Property, der Dauerausstellung im Erdgeschoss der Stiftung, befinden sich zahlreiche Barbie-Puppen aus seiner privaten Sammlung auf dem von Ettore Sottsass entworfenen Regal im Memphis-Design.

In der Torso-Werkserie bedeckt Mark Arbeit Arme, Beine und den Kopf seiner weiblichen Fotomodelle mit einem schwarzen Stoff, so dass der restliche hellhäutige Körper in den unterschiedlichsten Posen inklusive extremer Körperdrehungen exponiert ist – und so zum Torso wird. Der Hintergrund bleibt schwarz, weshalb die angeschnittenen Figuren wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen; dies zitiert die klassische Antike ebenso wie fotografische Experimente der Surrealisten.

George Holz zeigt – neben den Schwarz-Weiß-Aktbildern der früheren Ausstellung – zahlreiche seiner bekannten Hollywood-Porträts in Schwarz-Weiß und Farbe, darunter von Madonna, Sade, Andy MacDowell, Kirstin Dunst, Jack Nicholson oder Steven Spielberg. Manche wurden zuvor bereits in Zeitschriften und auf deren Titelseiten publiziert. Den Porträts gesellen sich neuere Aktbilder hinzu, von denen einige plein air entstanden sind. Das Miteinander von bekleideten und unbekleideten, von nachdenklichen und verführerischen Protagonist*innen findet sich ebenso im Werk von Mark Arbeit und natürlich von Helmut Newton. Stets geht es auch George Holz um Körper und Blicke, um Posen und Schönheit sowie um die Charakteristika konkreter realer Personen. Und so finden sich männliche und weibliche Modelle gleichberechtigt in seinem Werk nebeneinander, das einerseits im Auftrag, andererseits frei entsteht.

Just Loomis schließlich hat einige seiner „Backstage“-Arbeiten ausgewählt, die die frühere „Americana“-Serie ergänzen. Sein gesamtes Bildwerk zeichnet ein zurückhaltender, empathischer Blick auf die Mitmenschen aus, seien es Kinder oder Kellnerinnen, Obdachlose oder Laufstegmodelle. Beide Bildserien wurden von Büchern im Hatje Cantz Verlag begleitet. Kurz nach der ersten Ausstellung in Berlin erschien As We Are mit Aufnahmen, die auch persönliche Erinnerungen aus seinem Geburtsort Reno visualisieren und bis in die Mitte der 1970er-Jahre zurückreichen. Die jüngere Publikation, Backstage, wurde 2018 bei einer Book Launch in der Helmut Newton Stiftung vorgestellt und wird nun am gleichen Ort erstmals in Form von Fotoabzügen präsentiert. Mit Backstage zeigt uns Loomis die andere Seite des strahlenden Modebusiness: die Konzentration und Hektik vor dem eigentlichen Auftritt auf dem Laufsteg, aber auch Emotionen unterschiedlichster Art. Die porträthaften Aufnahmen sind zeitlos, sie entstanden seit den 1980er-Jahren, als Loomis nach Mailand kam und viel abseits der eigentlichen Modeshows fotografierte.

Inzwischen sind die drei Fotografen kommerziell ziemlich erfolgreich und im gleichen Alter wie Newton, als er sie noch während ihres Studiums am Art Center College of Design kennenlernte und zu seinen Assistenten machte – und haben wiederum eigene Mitarbeiter. Anfang der 1980er-Jahre waren es Porträtaufträge für „Vanity Fair“, etwa Michelle Pfeiffer, Jacqueline Bisset und Debra Winger, oder Nastassja Kinski für den „Playboy“, die Newton realisierte und bei denen er von einem der drei jungen Designstudenten aus Pasadena unterstützt wurde. Mit Blick auf das heutige Werk von Arbeit, Holz und Loomis entdecken wir manche Ähnlichkeit und doch einen jeweils autonomen Stil.

Erstmals wird auch die exquisite private Fotosammlung von Helmut und June Newton gezeigt, die sich bis vor einigen Monaten noch in deren Wohnung in Monte Carlo befand und inzwischen als ergänzendes Depositum in die Helmut Newton Stiftung verbracht wurde. In Junes Room hängen nun – parallel zu SUMO und Three Boys from PasadenaPorträts von August Sander, Brassaï, Ralph Gibson, Mary Ellen Mark, Albert Watson, Irving Penn oder George Hurrell, Aktbilder von Man Ray, Robert Mapplethorpe, Henri Cartier-Bresson, Frantisek Drtikol, Diane Arbus und Chris von Wangenheim, Modeaufnahmen von Horst P. Horst, George Hoyningen-Huene und Richard Avedon sowie Landschaften von Franco Fontana und Peter Beard – kurzum, eine Auswahl wertvoller Vintage Prints in originaler Rahmung von vielen der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Die Intimität des Ausstellungsraumes betont die Individualität der über Jahrzehnte von Helmut und June Newton zusammengetragenen Privatsammlung.

www.helmutnewton.com

Autor: Kurator Matthias Harder