Emma Summerton fotografiert den 49. Pirelli Kalender

In großen Fußstapfen

Der Titel des Pirelli Kalenders 2023 von Emma Summerton lautet „Love Letters to the Muse”. Die Ausgabe präsentiert einige der weltweit bekanntesten Models, die Summerton in New York und London fotografierte. Die australische Künstlerin tritt in die Fußstapfen von Größen wie Avedon, Newton und Leibovitz. Emma Summerton wird den Pirelli-Kalender 2023 mit ihrer unverwechselbaren Vision bereichern. Die in London und New York lebende Fotografin ist für ihren unverwechselbaren Stil und ihre dramatischen Vogue-Cover bekannt

„The Cal” zu fotografieren, einen der prestigeträchtigsten Aufträge in der Modebranche, war für Summerton ein jahrzehntelanger Traum. Zumal sie Sarah Moon, die erste Frau, die für Pirelli fotografierte, als frühe Inspiration nennt. „Es war unglaublich, als es zustande kam”, verriet sie. „Es war, als ob eine Art Zauberspruch endlich funktioniert hätte.”

Nachdem die erste Ausgabe des Pirelli Kalenders im Jahr 1964 auf den Markt kam, wird der Kalender im kommenden Jahr zum 49. Mal erscheinen. Summerton folgt auf den Rockstar und Fotografen Bryan Adams, der 2022 den Musik-Kalender mit Superstars wie Cher, Jennifer Hudson und Iggy Pop fotografierte.

Kreative Vision
Emma Summerton, die an der National Art School in Sydney Bildende Kunst studiert hat, ist für ihre kühne Kreativität und Kunstfertigkeit bekannt. Dies in Kombination mit ihrem technischen Know-how und ihrer Liebe zur Mode machte sie zu einer der gefragtesten Fotografinnen, die aktuell in der Branche arbeiten. Sie machte Aufnahmen für die britische, deutsche, australische, italienische, spanische, japanische und chinesische Vogue, i-D, Dazed & Confu-sed und Nylon, zu ihren Werbekunden gehören Yves Saint Laurent, Miu Miu, Dior und Sony Music. Im Laufe ihrer Karriere fotografierte Summerton Musikstars wie Rihanna, Taylor Swift und Katy Perry sowie die Schauspieler George Clooney, Nicole Kidman und Carey Mulligan.

Summerton zog 1998 nach Großbritannien, nachdem sie als Assistentin eines Fotografen in Sydney gearbeitet hatte. In London assistierte sie der für den Turner-Preis nominierten Künstlerin Fiona Banner und unterstützte sie bei den Aufnahmen von Fotografien für Banners erstes Buch. Aufgrund der inspirierenden Bilder der Vogue Italia unter der Leitung von Franca Sozzani verliebte sie sich in die Modefotografie.

„Ich sah die italienische Vogue und es waren, wow, Paolo Roversis Bilder, Sarah Moons Bilder, Steven Meisels Bilder, Peter Lindberghs Bilder, das war Kunst”, sagt sie. Ihr Traum, für diese Zeitschrift zu arbeiten, erfüllte sich, nachdem Edward Enninful sie unter seine Fittiche genommen hatte, damals ein aufstrebender Modedirektor und heute Chefredakteur der britischen Vogue. Sie bezeichnet Enninful als ihre “Modefee”, er beschreibt Summerton als “brillant”.

Eine weibliche Sichtweise
Summerton hat die Beziehung zwischen Modell und Fotografin immer als eine synergetische Beziehung gesehen, als eine lebendige Partnerschaft, die in das Bild einfließt. Sie möchte erfahren, wer die Frauen auf ihren Bildern sind. Ihre Fotografien werden als skurril, sorgfältig ausgearbeitet und erfinderisch beschrieben. Sie vermischen Fantasie und Realität, um Bilder zu schaffen, welche die persönliche Freiheit feiern und den Frauen das Gefühl geben, nicht nur inspirierend, sondern einbezogen zu sein.

„Ich liebe es, Frauen zu fotografieren und sie [als] stark, aber auch sexy, mächtig und bisweilen ein wenig seltsam zu zeigen”, sagt Summerton, deren Arbeiten international ausgestellt wurden. Eine Expertin, die sich für ihre Arbeit eingesetzt hat, ist die Schweizer Kunstsammlerin Nicola Erni. Sie besitzt eine der weltweit größten Privatsammlungen von Modefotografie, darunter Werke von Richard Avedon, Inez van Lamsweerde, Peter Lindbergh, Sarah Moon, Helmut Newton, Paolo Roversi und Mario Testino. Sie beschrieb Summertons Arbeit als versehen „mit einem Hauch von etwas Unerwartetem, einer eigenen Handschrift… fast wie eine ‘Pop-Art-Auffassung der Fotografie’ als Medium.” Als sie erfuhr, dass Summerton für Pirelli fotografieren wird, sagte Erni, sie sei „überzeugt, dass Emma eine der ganz Großen sein wird”, und beschrieb sie als „eine Künstlerin, welche die Modefotografie künftig rocken wird”.

Summerton, die einst erwog, Malerin zu werden, ist die 39. Fotografin, die den Kalender fotografiert, und die vierte Frau, die dies allein tut. Sie sagte, sie sei begeistert, in das Projekt einzutauchen und ihm ihren Stempel aufzudrücken: „Ich habe immer gedacht, dass ich gerne mehr Frauenperspektiven in dieser Welt sehen würde”.

Frauen hinter dem Cal
Sarah Moon war 1972 die erste Frau, die für einen Pirelli Kalender fotografierte, gefolgt von Joyce Tenneson im Jahr 1989. Inez van Lamsweerde fotografierte den Cal mit ihrem Partner Vinoodh Matadin 2007. Annie Leibovitz stand bereits zweimal hinter der Kamera, 2000 und 2016. In den frühen 1970er Jahren wurde Moon zugeschrieben, dass sie mit ihren zeitlosen, verträumten, „authentisch weiblichen” Bildern das Pin-up-Gefühl des Pirelli Kalenders auf den Kopf stellte. „Sarah Moon war eine der ersten Kunstfotografinnen, deren Modearbeiten ich sah und dachte, Modefotografie könnte etwas Erhabenes und Kreatives sein. Etwas, bei dem man Aufnahmen machen kann, die nicht nur einen Monat lang in einer Zeitschrift zu sehen sind, sondern ein Leben darüber hinaus haben”, sagte Summerton.

Siebzehn Jahre nach Moon zeigte Tenneson in ihrem Kalender zum Thema Tierkreiszeichen teilweise nackte Frauen in Bildern, die eher an Figuren aus der klassischen Mythologie als an Sexsymbole erinnern.  Im Jahr 2000 wählte Leibovitz moderne Tänzerinnen zusammen mit der olympischen Athletin Jacqui Agyepong und den Models Laetitia Casta und Alex Wek für einen Kalender, der die Kraft der weiblichen Form feiert.

Das niederländische Modefotografen-Duo van Lamsweerde und Matadin lichtete fünf ikonische Schauspielerinnen in einer Serie authentischer Schwarz-Weiß-Porträts ab, darunter die 72-jährige Sophia Loren, die bislang älteste Frau, die für den Kalender posiert hat. 2016 kehrte Leibovitz zurück, um das Regelwerk zu sprengen, indem sie 13 Frauen porträtierte, die für ihre Leistungen in Bereichen wie Kunst, Sport, Philanthropie und Wirtschaft bekannt sind. Darunter waren Yoko Ono, Kathleen Kennedy, Ava DuVernay, Serena Williams und Amy Schumer.

Eine Gelegenheit zur Innovation
Seit den Anfängen des Kalenders wurden viele der berühmtesten Fotografen der Welt mit den Aufnahmen beauftragt, darunter Norman Parkinson, Herb Ritts, Helmut Newton, Peter Beard, Mario Testino und Patrick Demarchelier. Jeder Fotograf entwickelt das Thema und den Stil des Kalenders weiter und erneuert ihn. Im Jahr 1987 kreierte Terence Donovan einen Kalender mit ausschließlich farbigen Models, darunter die damals 16-jährige Naomi Campbell. Der Kalender 2018 des britischen Fotografen Tim Walker zeigte ebenfalls ausschließlich farbige Models, darunter Campbell, Lupita Nyong’o, Djimon Hounsou, Whoopi Goldberg und RuPaul, um nur einige zu nennen.

Im Jahr 2013 fotografierte der Fotojournalist Steve McCurry die Aufnahmen für den Kalender in den Straßen von Rio de Janeiro mit Models, die alle vollständig bekleidet waren und für ihre wohltätige Arbeit bekannt sind. Jetzt reiht sich Summerton in die Liste der Großen der Fotografie ein, die hinter The Cal stehen – und es ist klar, dass sie der Ausgabe 2023 ihren eigenen Stempel aufdrücken wird. „Wenn ich an die Fotografinnen und Fotografen denke, die den Kalender im Laufe der Jahre realisiert haben, ist das überwältigend”, sagte sie. „Ich habe Momente, in denen ich mich immer noch kneife. Es ist wild und erstaunlich und aufregend und beängstigend und ein großes kreatives Abenteuer mit erstaunlichen Menschen. Ich bin total begeistert.”