„TORSO RELOADED“
Am 1. Oktober 2022 eröffnet die Solo Show „Torso Reloaded“ von Nadine Dinter in der Berliner HAZEGALLERY. Das Konzept wurde bereits 2012 anlässlich der Zusammenarbeit mit dem New Yorker Fotografen Christopher Makos, einem langjährigen Wegbegleiter Andy Warhols, entwickelt.
Für seine von Nadine Dinter kuratierte Ausstellung „Andy Dandy and Other Works“ in der galerie hiltawsky reiste Makos u.a. mit dem früheren Erotic-Art-Model und heutigen Tattoo Artist Benjamin Godfre an, der sich wiederum als großer Warhol-Fan entpuppte. Dinter und Godfre beschlossen kurzerhand, Warhols legendäre „Torso“-Serie aus dem Jahr 1977 fotografisch nachzuempfinden.
Exakt zehn Jahre später nimmt die Fotografin die Idee wieder auf. Zwar steht weiterhin Warhols Geist Pate, allerdings geht es darüber hinaus um die unterschiedlichen Körpertypen und deren individuelle Inszenierungen als Teil der heutigen Männergeneration.
Gezeigt werden, neben dem allersten Torso von Benjamin Godfre, exemplarisch sechs Männer – vom professionellen Fotomodel Benjamin Kühnemund und dem Fotograf Traegi über einen Wrestler, einen Fitness-Instruktor, einen Computer-Scientist bis hin zum Fotografen Alexander Schuktuew. Während Warhol jedoch primär die „Vorder- und Rückseite“ der männlichen Modelle im engen Close-Up fotografierte, zieht Nadine Dinter den Ausschnitt weiter auf, um den Besonderheiten wie Tätowierungen, Narben und Formungen mehr Platz und Wirkung einzuräumen. So scheinen die Körper zum Anfassen nahe, ohne eine sexuelle Handlung abzubilden.
In einer intimen Hotel-Atmosphäre und lediglich im Tageslicht entstanden zwischen Januar und April 2022 diese ruhigen Körperaufnahmen, von denen jede ihre eigene Geschichte erzählt und auf diese Weise die blanke Abbildung zum fotografischen Steckbrief werden lässt.
Die Ausstellung Torso Reloaded untersucht den „Female Gaze“ auf den männlichen Körper und begleitet die Fotografin bei der exemplarischen Bestandsaufnahme des aktuellen Körperkults.
Die HAZEGALLERY wurde 2019 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, die junge zeitgenössische Kunstszene Berlins durch Ausstellungen, Pop-Up-Shows und Kunst-Gatherings in die Welt zu tragen.
Interview mit der Künstlerin
Was genau faszinierte Dich an Torso von Warhol?
An Warhols “Torso” mag ich die unaufgeregte Bildkomposition, den frechen und unverblümten Draufblick auf den männlichen (Unter)körper und die Stringenz, mit der er die Serie zusammen gestellt hat.
Warum interessieren Dich Tatoos?
Zum einen bin ich selbst tätowiert, zum anderen finde ich es faszinierend, was sich andere Personen auf bzw. unter die Haut stechen lassen; wie dieses mal mehr, mal weniger inszeniert und durchdacht ist, und vor allem, welche Geschichten es zu jedem darüber gibt. Was ist wann, in welcher Lebensphase, aus welcher Laune und mit welchen Vorläufern und welcher Inspiration folgend, entstanden? Während es früher galt, durch eine Tätowierung die Dazugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe wie Yakuza, Matrosen etc. anzuzeigen, geht es heute eher darum, sich von anderen zu unterscheiden und die maximale Individualität auszudrücken. Absolut spannend…
Wie bekommt man einen Mann dazu, nackt vor die Kamera zu stehen (es handelt sich ja nicht explizit um Nacktmodels)?
Nun ja, zu drein der sechs Modelle hatte ich vorher bereits Kontakt; allerdings war es natürlich keine leichte Frage wie “hallo, wollen wir mal einen Café trinken gehen oder kommst Du mit zu einer Vernissage?”. So habe ich mir eine inhaltliche Strategie zurecht gelegt, wie ich die Idee an jeden einzelnen herantrage und mit jedem ausführlich telefoniert. Darüber hinaus gab es einen Vertrag, in dem nochmals alles festgeschrieben wurde. Also alles, was zu einem seriösen Projekt dazu gehört. Alle Modelle hatten große Lust, Teil eines Kunstprojekts zu werden und das war wohl die beste Voraussetzung für eine kreative Zusammenarbeit. Summa Summarum war und bin ich darüber hinaus sehr glücklich und dankbar, dass mir alle so viel Vertrauen entgegen gebracht haben. Denn das Erstellen solcher Bilder ist ja keine Einbahnstraße, sondern funktioniert nur, wenn jeder seine Rolle beibehält und als Krönung gemeinsam tolle Bilder entstehen.
Handelt es sich um Deine erste Ausstellung?
“Torso Reloaded” ist meine erste Galerieausstellung, ja. Ende der 90er Jahre hatte ich bereits einige kleine Präsentationen in Berliner und New Yorker off spaces, die aber eher im Kreise meiner Freunden und Bekannten eröffnet wurden.
Wieviele Motive umfasst die Ausstellung?
Die Ausstellung arbeitet mit verschiedenen Präsentationsformen und Formaten, und wird ca. 40 Arbeiten umfassen.
Wen genau willst Du ansprechen?
Hier bin ich ganz breit aufgestellt… von Fotoliebhabern, Modellen, Warhol-Fans, über Körper-Afficionados, Nudisten, Hedonisten bis hin zu Leuten, die mich kennen und einfach mal Lust haben, eine andere Seite von mir kennen zu lernen. ALLE sind herzlich willkommen!
Vielen Dank für das Interview.
“Torso Reloaded”, 1. – 29. Oktober 2022, in der HAZEGALLERY, Bülowstraße 11, Berlin-Schöneberg