DAVID YARROW BERICHTET VON SEINEN ABENTEUERN

WUNDERVOLLES KENIA

Kenia hat viele Seiten: Der Kunstfotograf David Yarrow beschäftigt sich mit dem ursprünglichen und wilden Kenia – dem Leben auf der Straße in der lebendigen Hauptstadt Nairobi und den herrlichen Naturlandschaften des Nationalparks Amboseli. In einem Interview berichtet Yarrow über dieses unvergessliche Abenteuer.

Warum haben Sie Kenia für dieses besondere Projekt ausgesucht?

Ich kannte Kenia und insbesondere Amboseli schon. In diesem Nationalpark habe ich im Laufe meiner Karriere schon sehr viel Zeit verbracht. Es war mir wichtig, noch einmal hierher zurückzukommen. An einem Ort zu arbeiten, an dem man sich wohl und sicher fühlt, hilft enorm bei der Planung und Logistik eines solchen Projekts – noch bevor man die Kamera überhaupt in die Hand nimmt. Amboseli ist meines Erachtens der schönste Ort der Welt, um Elefanten zu fotografieren. Der Nationalpark ist ein unverfälschtes, geradezu urgewaltiges Amphitheater, in dem heute noch 2.000 Elefanten leben, darunter einige der größten Exemplare der Welt. Und ich habe an diesem besonderen Ort zweifelsohne einige meiner besten Aufnahmen gemacht. Dandora in Nairobi hingegen ist ein echter Kontrast dazu und spricht die andere Seite meiner Fotografenseele an: Dabei möchte ich Momente inszenieren, die oft außerhalb unseres Alltags stehen. Die gut 12 Hektar große Müllhalde in Dandora bot einen komplett anderen Ansatz und eine einzigartige Location.

Was verbindet diese beiden Orte und die Bilder, die Sie dort aufgenommen haben?

Ich bin kein reiner Naturfotograf und die Vorstellung, zwei Aufträge in einer einzigen Woche zu erledigen, zeigen die beiden Seiten, die ich bei meiner Arbeit verfolge. Dasselbe Land, 483 km voneinander entfernt, künstlich inszeniert oder ganz natürlich: Diese Fotos sind ein Statement für das, was mich antreibt: Die Beziehung zwischen Mensch und Natur aufzuzeigen und wie sich diese in völlig unterschiedlichen Locations darstellt. Die entstandenen Bilder unterscheiden sich zwar in der Vorbereitung und den Aufnahmeorten. Dennoch sind sie durch verschiedene Aspekte miteinander verbunden: Zum einen sind es beides Kompositionen, die durch menschliches Verhalten bestimmt sind. Zum anderen verbindet sie meine Entscheidung, was ich in jedes Bild einbeziehen und ausschließen möchte und schließlich zeigen sie vor allen Dingen zwei beeindruckende Seiten eines Landes. So viele Menschen hören “Kenia” und denken dabei ausschließlich an die einzigartige Natur und die Nationalparks. Aber Nairobi ist einfach anders. Es gibt dort noch so viele Bereiche, in denen das Territorialrecht herrscht oder Bandenkriminalität an der Tagesordnung steht. Die Stadt, insbesondere das Viertel Dandora, kämpft weiterhin gegen den Müll und Umweltschutzprobleme. Ich wollte, dass diese urbanen Bilder uns genauso beeindrucken wie die Aufnahmen der Elefanten.

Inwieweit unterscheidet sich die inszenierte Arbeit davon, Personen oder Tiere in ihrem natürlichen Umfeld zu fotografieren?

Nun, ich suche mir gerne Orte aus, die abseits von dem liegen, was der Betrachter bereits gesehen haben mag. Das kann eine Geisterstadt in Montana sein oder ein Ort, an dem ein Bürgerkrieg gewütet hat, wie z.B. der Sudan. Oder in diesem Fall eben Nairobi, eine Stadt, in der es noch ziemlich konfliktreiche Stadtviertel gibt, die gerade einige größere Herausforderungen zu bewältigen haben. Das ist ein komplett anderer kognitiver Ansatz im Vergleich zur Naturfotografie. Bei der geht es oft darum, die beste Position zu finden, um das aufzunehmen, was gerade vor einem geschieht. Planen ist da schwierig, denn wenn ein Tier nicht mitspielt, dann wird das eben nichts. Bei inszenierten Bildern habe ich von vorneherein eine ganz klare Vorstellung davon, wie das Ergebnis aussehen wird. Das gibt mir mehr Kontrolle, ist aber auch eine Herausforderung an die eigenen Fähigkeiten als Fotograf. Die Komposition liegt letztendlich bei einem selbst und das gefällt mir.

Wie haben Sie sich auf ein so umfangreiches Projekt vorbereitet?

Ich kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig die Phase der Vorbereitung und Recherche für ein Projekt ist. Mach deine Hausaufgaben und arbeite mit Leuten vor Ort zusammen. Sie helfen dir dabei, Zugang zu den besonderen Orten zu bekommen, an denen du während deines Projektes arbeiten willst. Zum Glück kannte ich viele Orte in Kenia ganz gut und ich wusste, dass die flache Landschaft selbst schon dramatische Bilder mit einer einzigartigen Kulisse hervorbringen würde. Man sollte sich aber auch mit einem guten Team zusammentun, das einem das Leben vor Ort so einfach wie möglich macht. Ein Fehler, den viele Fotografen begehen ist, dass sie sich erst einmal nur unglaublich auf die Reise freuen. Wenn sie dann ankommen, stellen sie plötzlich fest, dass sie überhaupt nicht weiter geplant haben und nicht wissen, was sie als Nächstes tun sollen. Zum Glück konnte ich in Kenia auf ein fantastisches Team zählen, das mir mental und visuell bei den Vorbereitungen geholfen hat. Sie haben sich schon vorher mit den richtigen Leuten in Verbindung gesetzt, um dafür zu sorgen, dass wir sicher arbeiten können.

Wie haben Sie die “Big Tuskers” im Amboseli-Nationalpark gefunden?

Nun, nicht nur, dass der Nationalpark die Heimat einiger wunderschöner Elefantenherden ist, sondern dieser Teil von Kenia beheimatet auch eine Handvoll der größten, vom Aussterben bedrohten Elefanten der Welt, die eben als “Big Tuskers”, also “Große Stoßzähne”, bekannt geworden sind. Ihre Stoßzähne sind so lang, dass sie den Boden berühren. Leider gibt es heute nur noch 22 dieser einzigartigen Kreaturen in freier Wildbahn. Ich hatte diesen Teil der Welt schon vorher besucht und wusste, dass eine gute Chance bestand, hier noch einmal auf das größte Exemplar seiner Art zu treffen. Er heißt Tim und wenn du diesen Elefanten siehst, dann weißt du einfach, dass du nie wieder so etwas wie ihn fotografieren wirst. Natürlich mussten wir vor Ort sehr vorsichtig vorgehen, um Tim nicht in seinem natürlichen Habitat zu stören. Dabei haben mir meine Erfahrung und die Wildhüter geholfen. Wir waren also eher Beobachter und haben nicht in seinen Alltag eingegriffen. Die Frontalaufnahme dieses Elefanten in all seiner Größe, bei der man jedes einzelne Detail seiner Haut, den Ehrgeiz und die Intelligenz in seinen Augen und die wunderschönen Stoßzähne, die er so stolz trägt, ausmachen kann: Das war der Grund dafür, dass ich hierher gekommen bin. Genau das wollte ich aufnehmen.

Welche Ausrüstung haben Sie für die Aufnahmen verwendet?

David Yarrow porträtierte Amboselis kolossale Elefanten, “Big Tuskers”, im Kontrast zur Bandenkultur in Nairobi, der geschäftigen Hauptstadt des Landes.

Wenn man einen Elefanten fotografieren möchte, dann sitzt man normalerweise in einem Geländewagen. Jeder, der etwas von Kameras oder der Ausrüstung versteht, weiß aber, dass dieses Foto aus einem Auto in einer ungewöhnlichen Position aufgenommen wurde. Um die unglaubliche Größe eines Elefanten in all seiner Herrlichkeit abzulichten, muss man ihn vom Boden aus fotografieren. Das geht gut, wenn man unter dem Wagen liegt und mit einer Fernbedienung arbeitet. Das ist zwar ein bisschen unbequem, aber es schützt einen auch. Die Fernbedienung ist natürlich wetterabhängig. Eine andere Option ist, dem Elefanten so nah wie möglich zu kommen. Das schien mir für diese Aufnahme am besten. Da ich Tim schon bei anderen Gelegenheiten kennenlernen konnte, hatte ich keine Angst. Ich wusste, wie er reagieren würde, und konnte mich ihm bis auf 20 bis 25 Meter nähern. Ich brauchte also nichts weiter als das messerscharfe AF-S NIKKOR 200 mm 1:2 G ED VR II oder das AF-S NIKKOR 105 mm 1:1,4E ED, beides unglaubliche Festbrennweiten von Nikon mit engem Bildausschnitt, für die ich mich bei solchen Projekten fast immer entscheide. Was die Kamera selbst anging wollte ich Tim einfach als Tim fotografieren und ihm dabei nicht aus allen unmöglichen Stellungen aufnehmen. Das bedeutet, dass ich auf eine hohe Anzahl an Bildern pro Sekunde angewiesen war, ohne, dass eine superexakte Auflösung vonnöten gewesen wäre. Dafür war die Nikon D850 ideal. Das bedeutet auch, dass die Bildqualität, selbst bei einer Skalierung auf Lebensgröße – was ich unbedingt noch tun möchte – genauso gut aussehen wird, wie auf dem Bildschirm. Für das Profil des stellvertretenden Leutnants der Bande habe ich das AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G eingesetzt. Er hat ein aussagekräftiges, fast unheimliches Gesicht und die Weitwinkel-Porträtfähigkeit dieses Objektivs hat das sehr gut eingefangen.

Wie haben Sie sich auf die Aufnahmen in Nairobi vorbereitet?

Dandora in Nairobi ist kein einfacher Ort für Aufnahmen. Dort gibt es eine der größten Müllhalden der Welt, wo so viele chemische Abfälle entsorgt werden, dass man eine Maske tragen muss. Leider wirken sich die Gesundheitsrisiken dieses Müllberges inzwischen auch auf die Bewohner der Vorstadt aus. Die Bandenkultur ist hier sehr präsent und ich wusste schon bevor ich aufgebrochen bin, dass ich einige der Mitglieder aufnehmen wollte. Wir haben rechtzeitig Kontakt mit dem stellvertretenden Leutnant der Bande aufgenommen, um sicherzugehen, dass er damit einverstanden ist. Ich wollte an diesem absolut ungewöhnlichen Ort unbedingt etwas Bedeutsames schaffen. Hier geht es nicht um das Porträt eines Einzelnen vor einem heruntergekommenen Stadtteil von Nairobi. Hier geht es darum, etwas zu zeigen, das einen zum Nachdenken anregt. Um das auch wirklich zeigen zu können, haben wir eine Leiter gebaut. So konnten wie die Aufnahme von oben machen. Dieses Bild ist der Inbegriff einer visuellen Trennung: Ein Nebeneinander von sehr smarten, durchtrainierten Männern in ihren schwarzen Anzügen vor dem Hintergrund der Müllhalde.

Auf welche Schwierigkeiten sind Sie während des Projekts gestoßen?

Ich war etwa 25 Mal in Amboseli und das zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Die unerwartet starken Regenfälle haben dieser Reise einiges abgefordert und ich bin ehrlich genug zuzugeben, dass ich darauf nicht vorbereitet war. Der Boden war nass und aufgeweicht, der Zugang wurde teilweise sehr schwierig, wir sind tatsächlich auch ein paar Mal stecken geblieben. Dadurch konnten wir schwerer vorhersehen, wo die Elefanten und “Big Tuskers” sich aufhalten würden. Normalerweise findet man sie eben gerade dort, wo es kein Wasser gibt. Eine weitere Herausforderung stellte das Licht dar. Eine Schwarzweiß-Aufnahme sollte wie ein Klavier sein, es hat 88 Tasten und die besten Pianisten sorgen dafür, dass jede davon auch gespielt wird. Es sollte von einem blitzsauberen Weiß bis in ein sattes Schwarz übergehen und dabei alle Schattierungen beinhalten. Das ist nicht einfach, wenn die Lichtverhältnisse nicht stimmen und das Thema Licht hat uns auf dieser Reise sehr beschäftigt. Das gilt insbesondere für die Aufnahmen in Dandora. Kein Fotograf möchte nur auf die ‘mittleren Tasten’ reduziert werden, aber genau das musste ich oft. Deshalb war es auch so unglaublich schwierig, das perfekte Bild aufzunehmen. Natürlich gehören Herausforderungen zu jedem Shooting dazu und diese Reise zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, sich den Umständen anpassen und spontan reagieren zu können.

Fotos: David Yarrow
Autor: Photographie.de