SERIE VIDEODREH FÜR FOTOGRAFEN: TEIL 2

DARUM CINEOBJEKTIVE

Dass Filmen und Fotografieren doch zwei ziemlich unterschiedliche Handwerke sind, wird nirgends so offensichtlich, wie bei den Objektiven. Wo moderne Fotooptiken häufig mit nur noch einem eleganten, leicht geriffelten Fokusring auskommen, stören bei den sogenannten Cineobjektiven zwei oder gar drei massive Zahnkränze die glatte Haptik.

Diese Aufnahme zeigt eine notwendige Totale, um die Geschichte der beiden Fischer zu erzählen. Wer sie produzieren will, muss auf ein zweites Boot umsteigen. Wer von dort trotzdem noch attraktive Naheinstellungen aufnehmen möchte, braucht ein entsprechend leistungsstarkes Tele.

Videofilmer sind nicht zu beneiden. Vor allem wenn sie Reportagen drehen, also mehr oder weniger unter Livebedingungen versuchen müssen, ihre Aufnahmen in den Kasten zu bekommen. Dabei gilt es, auch noch darauf zu achten, dass ihre Bildschnipsel später im Schnitt zusammenpassen. “Continuity” heißt das unter Filmleuten. Und bedeutet, dass die späteren Betrachter möglichst keine Veränderungen von Farbe, Helligkeit oder Schärfentiefe zwischen zwei Einstellungen aus dem Filmgenuss reißen. Dass Aufnahmen im Schnitt möglichst nahtlos aneinanderpassen, darüber entscheidet kein Ausrüstungsteil so sehr wie das Objektiv. Denn Kameraleute müssen häufig die Brennweite wechseln. Brauchen sie doch von einem Set nicht nur eine Totale, sondern auch viele Naheinstellungen. Gerade auf beengtem Raum wie etwa einem Fischerboot stößt man schnell an seine Grenzen. Deshalb ist das Standardobjektiv von Filmern meist ein Zoom. Denn trotz beengter Verhältnisse kann man die Einstellung schnell ändern, vor allem aber auch den Bildausschnitt sicher kadrieren. Aber: Eine Veränderung der Brennweite ändert die Bildcharakteristik und hat Einfluss auf die Schärfentiefe. Ein mit einem Weitwinkel aufgenommenes Porträt zeigt unschöne Verzerrungen, die Nahe mit dem Tele passt möglicherweise nicht nahtlos an die Totale vom Weitwinkel. Bei Fotooptiken ändert sich mit der Brennweite in der Regel auch noch die Anfangsblende. Welche Optik ist also die richtige zum Filmen?

Bei der Naheinstellung vom Zerteilen eines Köderfisches, aufgenommen mit einem Weitwinkel, erscheint die Hand sehr groß. Für Reportagefilmer ist ein gemäßigtes Weitwinkel (24 mm oder 35 mm) eine gute Möglichkeit, sowohl Totalen als auch Nahen zu produzieren. Der Look bleibt gleich, Einstellungen lassen sich durch Bewegungen verdichten.

Prime (Festbrennweite) oder Zoom?
Schon Fotografen streiten hier gerne, beantworten die Frage aber aus Qualitätsgründen meist mit Prime. Sie entscheiden sich also für eine Linse mit fester Brennweite. Beim Filmen fällt die Antwort nicht ganz so leicht. Denn im Unterschied zur Fotografie steht der Bildausschnitt bei der Filmaufnahme fest. Nachträgliche Korrekturen sind nur schwer und nie ohne Qualitätsverlust möglich. Außer man produziert das Rohmaterial in einem größeren Format, etwa 4K, um dann seinen Film in 2K zu schneiden. Ein großer Mehraufwand, der aber bei Weitem nicht die gleiche Freiheit birgt wie der Beschnitt in der Fotografie. Wenn der Ausschnitt bereits bei der Aufnahme feststeht, muss der Filmer ihn auch schnell und pixelgenau festlegen können. Deshalb gibt es Zoomobjektive. Die Zoom genannte Verdichtung auf ein Objektiv ist als Gestaltungsmittel dagegen verpönt. Filmer benötigen eigentlich immer mehrere Einstellungen einer Szene, um später einen Film daraus schneiden zu können. Wer aber möchte etwa auf einem kleinen Fischerboot bei Wellengang häufiger das Objektiv wechseln? Und auch eine Einstellungsänderung durch Veränderung des Motivabstands ist auf beengtem Raum nur eingeschränkt möglich. Deshalb ist ein Zoom für Filmer das Arbeitspferd.

Wer auf engem Raum eine Totale produzieren muss, braucht ein Weitwinkel: In der Folge erschien das Gesicht des Fischers am Bildrand deutlich gezerrt.

Primes sind dagegen etwas für Studioproduktionen. Da ein Objektivwechsel immer auch einen Licht- und Farbsprung bedeuten kann, der später im Schnitt korrigiert werden muss, verwenden die Anbieter von speziellen Filmoptiken, den Cineobjektiven, viel Konstruktionsarbeit darauf, dass die Aufnahmen trotz Objektivwechsel eben keine auffälligen Veränderungen zeigen. Etwa dank eines durchgehenden Transmissionswertes aller Objektive. Der sogenannte T-Wert gibt an, wie viel Helligkeit auf dem Sensor ankommt, nachdem das Licht durchs Objektiv gewandert ist. Er ist das Pendant zu Blenden bei Fotoobjektiven, kann aber als verlässlichere Größe gelten.

Filmen mit Fotooptiken?
Dass man mit klassischen Fotooptiken auch Filme drehen kann, beweisen viele Amateure, aber auch Profis jeden Tag aufs Neue. Warum also Geld in teure Cineobjektive investieren? Weil Filmen etwas für Handwerker ist. Das bedeutet: Schärfe, Blende und auch die Brennweite werden meist manuell verändert. Auch hier, um störende Bildfehler etwa durch einen pumpenden Autofokus oder abrupte Helligkeitsänderungen durch eine Automatikblende zu vermeiden. Dafür braucht es dicke Zahnkränze, an denen sich etwa eine Schärfezieheinrichtung oder auch ein Zoom befestigen lassen. Neben den praktischen Zahnkränzen sprechen vor allem zwei Argumente für die Anschaffung eines Cineobjektivs.

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TOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 12/2018.