Google Pixel 4a 5G und 5

Ultraweitwinkel statt Tele

Beim Vorjahres-Flaggschiff Pixel 4 begrüßte die Fachwelt Googles erste Dual-Kamera mit Tele-Modul, vermisste aber ein Ultraweitwinkel. Der Technikgigant hat hingehört und in den Nachfolgern Pixel 5 und Pixel 4a 5G nun ein Ultraweitwinkel eingebaut. Dafür verzichtet Google nun ein auf optisches Tele und setzt rein auf Software-korrigierten Digitalzoom. Das muss ja an sich nichts Schlechtes heißen, weil Google bei der computergestützten Bildverarbeitung einfach ein Champion ist. Berti Kolbow-Lehradt hat für uns die Fotofähigkeiten beider Geräte vor dem Verkaufsstart in der Praxis getestet.

Hardware-Mix aus Mittel- und Oberklasse
Das Google Pixel 5 ist zum Preis von 613 Euro, das Google Pixel 4a 5G ab November für 487 Euro erhältlich. Damit kostet das Duo mehrere Hundert Euro weniger als Googles Vorgängermodelle Pixel 4 und 4 XL aus dem Vorjahr. Die Neuzugänge sind allerdings grundsätzlich auch in der Mittelklasse angesiedelt und spielen daher nicht in der Spitze mit wie etwa das Xiaomi Mi 10 Pro.
Das lässt sich am Schlüsselmerkmal des Prozessors festmachen. In den beiden neuen Pixel-Geräten erledigt Qualcomms erschwingliche Platine Snapdragon 765G die Rechenarbeit. In der Praxis tut das dem Tempo aber keinen Abbruch. Selbst für aufwendigeres Editing in Lightroom oder Premiere Rush hat das System on a Chip (SoC) genug Power. Außerdem ist auf dem SoC gleich ein 5G-Modem integriert, sodass beide Pixels die hohen Datenraten und geringen Latenzen des neuen Mobilfunkstandards verwenden können.
Darüber hinaus sind auch die weiteren Hardware-Merkmale keineswegs von schlechten Eltern. Dem Prozessor im Pixel 5 stehen 8 GB, dem im Pixel 4a 5G stehen 6 GB Arbeitsspeicher zur Seite, was für schnelles Starten und Aufwecken von Apps sorgt.
Fotos, Videos und Apps lassen sich jeweils auf 128 GB Flashspeicher ablegen. Das ist ein Fortschritt. Der nur halb so große Speicher in der Basiskonfiguration der teureren Vorjahresmodelle hatte für Unmut gesorgt.
Auch den mickrigen Akku des Pixel 4 hat Google aufgebohrt. Statt 2.800 mAh liefert das Pixel 5 jetzt angemessene 4.080 mAh, das Pixel 4a 5G nur minimal weniger. Damit kommen wir im Praxistest bei intensivem Einsatz etwas länger als einen Tag ohne Aufladen aus. Neue Energie tanken die Akkus per USB-C oder im Fall des Pixel 5 kabellos per induktivem Qi-Standard.
An der Display-Hardware ist rein gar nichts auszusetzen. In beiden Geräten sorgt ein OLED-Display mit Full-HD-Auflösung für eine knackscharfe Darstellung mit tiefem Schwarz und lebendigen Farben. Wem die Sättigung zu hoch ist, der stellt den Bildschirm auf eine „natürliche“ Farbwiedergabe. Die Anzeige des Pixel 4a 5G ist mit 6,2 Zoll etwas größer, dafür liefert das das 6-Zoll-Display des Pixel 5 eine geschmeidigere Bildwiederholrate von bis zu 90 Hertz. Das sorgt für ein viel gleichmäßigeres und dadurch angenehmeres Scrollen durch die Bildergalerie.
Auf Schmankerl wie eine Gesichtserkennung und ein Radar wie im Pixel 4 müssen Nutzer des neuen Duos verzichten. Das Radar war aber sowieso eher eine Spielerei. Und der wieder zurückgekehrte Fingerabdrucksensor auf der Gehäuserückseite entsperrt das Display genauso schnell und präzise wie die Gesichtserkennung.
Bei der Gehäuseverkleidung setzt Google auf unterschiedliche Materialien. Wer sein Smartphone als Arbeitswerkzeug nicht schont, greift lieber zum Pixel 5 mit IP68-Schutz vor Staub und Wasser, Aluminiumrückseite und Displaydeckglas vom Typ Gorilla Glass 6. Hingegen das Google Pixel 4a 5G ist mit einem nicht wettergeschützten Gehäuse aus Polycarbonat und dem weniger kratzresistenten Gorilla Glass 3 nicht ganz so hart im Nehmen.

Kamera-Setup mit Ultraweitwinkel statt Tele
Google weiß auch in diesem Jahr mit seinem Kamera-Setup zu überraschen. Lange Zeit verwehrte sich der Konzern wegen seiner Stärke in computergestützter Bildverarbeitung gegen Mehrfachkamerasysteme mit verschiedenen Festbrennweiten.

Standardweitwinkel
Standardweitwinkel

Dann stellte er dem Standardweitwinkel im vergangenen Jahr doch eine zweifache Telebrennweite zur Seite, die inklusive helfender Softwarehände bis zum Faktor acht zoomte, ohne dass die Qualität im gleichen Maße abnahm.
Nicht nur wir beklagten, dass man mit noch so tollen Algorithmen aber kein optisches Ultraweitwinkel simulieren kann und prompt rüstet Google im Pixel 5 und 4a 5G ein solches nach. Das optische Tele kassierte das Unternehmen aber wieder ein und verlässt sich am langen Ende wieder vollständig auf Softwaretricks wie sein “Super Resolution”-Verfahren und die Belichtungskorrektur namens HDR+.
Das Setup besteht bei beiden Geräten nun zum einen aus einem 12,2-MP-Sensor von 1/2,55 Zoll Größe hinter einem Standardweitwinkelobjektiv mit Blende f/1,7 und 77 Grad Bildwinkel, was etwa 27 mm gemäß KB entspricht. Das ist die gleiche Hardware wie im Vorgänger Pixel 4. Zum anderen enthält das System einen 16-MP-Sensor von 1/3,09 Zoll Größe vor einem Ultraweitwinkelobjektiv mit Blende f/2,2 sowie einem Bildwinkel von 107 Grad, was etwa 16 mm KB ergibt. Videos zeichnen die Kameras in Full-HD mit bis zu 240 Bildern pro Sekunde oder in 4K mit maximal 60 Bildern pro Sekunde auf.


Ultraweitwinkel

Beide Sensoren sind selbst für Smartphone-Verhältnisse sehr klein. Zu erwartendes Bildrauschen kann Google daher nur durch einen massiven Softwareeinsatz kompensieren.

Porträtlicht-Effekte für die Kamera-Software
Das Google Pixel 5 und Google Pixel 4a 5G erscheinen zum Start direkt mit dem neuen Android 11 und einer hier und da feingeschliffenen Kamera-App. Bahnbrechende neue Algorithmen-Kunststücke führt das Softwarepaket aber nicht ein. Stattdessen sind ergänzende Hilfsfunktionen verfügbar, die Smartphone-Fotografen so oder ähnlich auch von woanders kennen.
Im Porträtmodus der Kamera-App hellt die Software automatisch die Gesichtshaut auf. Das ist voreingestellt und lässt sich nicht abwählen. Allerdings können Sie in der Fotos-App von Google anschließend die gewählten Einstellungen des sogenannten Porträtlichteffekts bearbeiten. Im Wesentlichen beschränkt sich das darauf, dass Sie anhand einer kreisförmigen Markierung ein Akzentlicht rund um ein Gesicht so verschieben, wie es Ihrer Ansicht nach die Konturen am besten betont. Der Effekt lässt sich in Google Fotos auch bei älteren Aufnahmen anwenden. Einzige Voraussetzung ist, dass die Software darauf ein Gesicht erkennt.
Darüber hinaus ist der Nachtmodus nicht mehr nur als eigenständige Betriebseinstellung verfügbar. Stattdessen aktiviert die Kamera-Software ihn auch dann, wenn Sie die Vollautomatik oder den Porträtmodus bei wenig Umgebungslicht verwenden. Dadurch greift die automatische Mehrfachbelichtung, die für mehr Dynamikumfang und weniger Rauschen sorgen soll.
Ein Zugeständnis an das verschwundene optische Tele ist die neue Brennweitenauswahl, die Sie mit den Schnellwahltasten „0,6“, „1x“ und „2x“ vornehmen. Weil das „Super Resolution“-Verfahren jetzt ohne Optik-Unterstützung den Qualitätsverlust digital gezoomte Bilder ganz allein dämpfen muss, ermutigt Google Anwender nicht mehr, über den Faktor zwei hinaus ins Bild zu zoomen. Natürlich ist es aber weiterhin möglich, mit der Fingerzangengeste digital zu zoomen. Beim Faktor sieben ist dann Schluss.

Digitalzoom
Digitalzoom

Fotografieren in der Praxis
Erwartungsgemäß lässt sich mit beiden Geräten angesichts gleicher Hard- und Software unterschiedslos fotografieren. Das Handling bereitet große Freude. Die Kamera-App setzt zwar unverändert größtenteils auf Automatiken, lässt aber dennoch noch genügend Handlungsspielraum. Prima sind die beibehaltenen Regler, mit denen man die Gesamtbelichtung korrigieren und die Tiefen anheben oder absenken kann. Das bietet so keine andere uns bekannte Kamera-App. Hilfreich ist auch das standardmäßig aktivierte Fokus-Tracking, das den gesetzten Schärfe- und Belichtungspunkt auch beim Verschwenken nicht verlässt, was mit dem Smartphone sonst schnell passieren kann.
Bei der Bildqualität beweist Google erneut die Vorreiterrolle bei der Bildverarbeitung. Belichtung und Farbwiedergabe kriegen das Pixel 5 und Pixel 4a 5G selbst bei schwierigen Lichtbedingungen famos hin. Dabei zeigt sich, dass ein beherztes Eingreifen von HDR-Algorithmen nicht zu übertriebenen Ergebnissen führen muss. Stattdessen regeln sie helle Bildbereiche gezielt herunter und verpassen nur behutsam ausgewählten Farbnuancen zusätzlichen Punch. Ein weißgrauer Himmel sieht dann plötzlich bilderbuchmäßig blau aus. Das Ergebnis entspricht dann nicht dem, was das Auge gesehen hat, trotzdem wirkt es nicht unnatürlich.
Von besonderem Interesse im Praxistest war für uns, wie gut sich mit dem Standardweitwinkel digital zoomen lässt, weil ja ein optisches Tele fehlt. Das Resultat ist zwar nicht direkt unansehnlich, doch ein Schärfeverlust ist bereits bei der normalen Betrachtung am Computer deutlich erkennbar. Und weiter als doppelt sollte man wirklich nicht zoomen. Der maximale Digitalzoom mit siebenfacher Vergrößerung ist nur noch als Fotonotiz zu gebrauchen. Das sah im Vorjahr beim Pixel 4 besser aus. Google tut sich keinen Gefallen, das optische Tele wegzulassen. Damit fällt die Qualität klar hinter dem Wettbewerb zurück.
Wiederum das Ultraweitwinkel ist eine willkommene Ergänzung für außergewöhnliche Bildkompositionen und erledigt seinen Job richtig gut. Auflösung und Schärfe gefallen. Zudem entzerrt Google die typischen Krümmungen mit Unterstützung von maschinell angelernten Algorithmen so gut, dass Ausnahmen direkt aus der Kamera tatsächlich besser aussehen als bei Ultraweitwinkeln anderer Smartphones. Eine zusätzliche geometrische Korrektur in Lightroom kann trotzdem nicht schaden.
Das Rauschen hat Google bei beiden Objektiven gut im Griff, für unseren Geschmack sogar viel besser als beim Pixel 4 im Vorjahr. Weil Google den Nachtmodus jetzt noch stärker in die anderen Modi verzahnt hat, haben wir bei Innenaufnahmen mal die Vollautomatik, mal den dezidierten Nachtmodus verwendet. Die Ergebnisse sind identisch und unterstreichen wie clever eine Vollautomatik von heute belichten kann.

Fazit
Google hat seine Vorzeige-Smartphones verschlimmbessert. Das Pixel 5 und auch das Pixel 4a 5G mit einem Ultraweitwinkel auszurüsten und dafür auf das Tele des Pixel 4 zu verzichten ist ein unbefriedigender Tausch. Das neue Objektiv macht seine Sache gut und bereitet Freude. Die Bildqualität ist mit Googles Softwaremagie im Hintergrund famos. Doch den Verzicht auf eine optische Normal- bis Telebrennweite können selbst Googles hochgerüstete Super-Algorithmen nicht kompensieren. Schon der digitale Zweifach-Zoom ist sofort als Kompromiss erkennbar. Was hat sich der Hersteller nur dabei gedacht? Vor diesem Hintergrund können wir den Kauf des Google Pixel 5 nicht empfehlen. Sollten Sie das Pixel 4 besitzen, bleiben Sie dabei oder wählen Sie als Upgrade lieber das günstigere Pixel 4a 5G. Das kann kaum weniger und hat sogar das größere Display als das Pixel 5. Alles in allem raten wir trotz Googles weiterhin vortrefflicher Foto-Software dieses Jahr eher zum Wechsel zu einem der chinesischen Herausforderer wie Xiaomi Mi 10 Pro und OnePlus 8 Pro. Die bieten zum guten Preis das rundum bessere Kamera-Setup.

Google Pixel 5
Display: 6 Zoll, 2.340 x 1.080 (432 ppi), OLED, 90 Hz
Prozessor: Snapdragon 765G
RAM: 8 GB
Speicher: 128 GB (nicht erweiterbar)
Kamera: 12 MP Weitwinkel | 16 MP Ultraweitwinkel
Akku: 4.080 mAh, 18-Watt-Schnellladen, Qi-kompatibel
Größe | Gewicht: 144,7 x 70,4 x 8 mm| 151
Gehäuse: Aluminium, Gorilla Glass 6, IP68 Wetterschutz
Preis: 614 Euro

Google Pixel 4a 5G
Display: 6,2 Zoll, 2.340 x 1.080 (413 ppi), OLED,
Prozessor: Snapdragon 765G
RAM: 6 GB
Speicher: 128 GB (nicht erweiterbar)
Kamera: 12 MP Weitwinkel | 16 MP Ultraweitwinkel
Akku: 3.885 mAh, 18-Watt-Schnellladen
Größe | Gewicht: 153,9 x 74 x 8,2 mm| 168 g
Gehäuse: Polycarbonat, Gorilla Glass 3
Preis: 487 Euro