Fujifilm GFX100 II als Wildlife-Kamera

GROSS AUF DER PIRSCH

Seit dem Erscheinen des Teleobjektivs Fujinon GF 5,6/500 mm ist das Mittelformatsystem von Fuji zumindest auf dem Papier eine ernstzunehmende Alternative zum Vollformat für die Naturfotografie. Doch wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Text & Fotos: Dr. Björn K. Langlotz

Inzwischen umfasst das GFX-System vom Superweitwinkel in Form des Fujinon 4/20-35 mm, über zwei Tilt-Shift-Objektive und einem 120-mm-Makro-Objektiv bis hin zum neuen Supertele 5,6/500mm fast alles, was das Herz begehrt. Darüber hinaus haben mittlerweile auch weitere Hersteller das Potenzial des spiegellosen Mittelformats erkannt. Daher bietet sich das GFX-System inzwischen auch für die Natur- und Tierfotografie an.

Action gefällig?

Das neue GF 5,6/500 mm durfte im Praxiseinsatz an Fujis Topmodell GFX100 II zeigen, was es kann. Dabei haben wir uns auf verschiedene Tiermotive konzentriert, um die Leistungsfähigkeit der Nachführung und Motiverkennung zu testen. Nach Angaben von Fujifilm und unseren eigenen Erfahrungen sind die folgenden Ergebnisse fast ohne Abstriche auf das günstigere Schwestermodell GFX100S II übertragbar. Die Motiverkennung bei der Vogelfotografie ist sehr gut: Die Kamera erkennt praktisch jeden Vogel und fokussiert darauf, sobald das Auge im Bild ist. Beim Schwarzspecht klappte das ohne Probleme, aber auch bei dunklen Vögeln mit dunklen Pupillen gab sich die Kamera keine Blöße. Bei der Erkennung von Säugetieren leistet sich die Fuji je nach Motiv (wie auch viele Vollformatkameras) noch ein paar Schwächen. Bei Tieren, die Hunden, Katzen, Kühen oder Pferden ähneln, funktioniert die Motiv- und Augenerkennung praktisch fehlerfrei. Dazu gehört beispielsweise auch der junge Steinbock. Doch sobald man sich von dieser Gruppe entfernt, wird es weniger genau. So etwa bei den Murmeltieren: Zwar erkannte die Fuji das Auge besser als die meisten anderen Kameras, aber immer wieder ließ sie sich ablenken und fokussierte auf die Nase. Das 5,6/500 mm ist optisch hervorragend und fokussiert überraschend schnell. An die schnellsten Supertele von Canon, Nikon oder Sony reicht es aber nicht heran. Die Geschwindigkeit genügt, um Vögel im Flug zu fotografieren, aber nicht immer für schnell auf die Kamera zu rennende Säugetiere. Insgesamt sind sehr schnelle Serien nicht das Metier der GF-Serie. Denn durch den „Blackout“ und die maximale Bildrate von 8 B/s gerät die Motivverfolgung schnell zum Ratespiel. Kurze Sequenzen sind kein Problem. Doch hier haben Vollformatkameras mit 20 Bildern/s merklich die Nase vorn.

Die GFX100 II liegt auch ohne Hochformathandgriff mit dem 5,6/500 mm sehr gut in der Hand.

 

Nah ran: Makrofotografie

Makro und Mittelformat – das ist so eine Sache. Wegen des großen Sensors muss man eigentlich mit höheren Abbildungsmaßstäben fotografieren als beim Vollformat, um den gleichen Bildausschnitt zu erreichen. Gleichzeitig ist die Konstruktion von Makroobjektiven für die Riesen-Sensoren schwieriger, so dass alle Mittelformat-Makros nativ nur bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1:2 (Bildwirkung ähnlich zu 1:2,5 am Vollformat) fokussieren. Fujifilm bietet aber einen Zwischenring für sein 120er-Makro an, mit dem es auf 1:1 fokussiert. Oberhalb von 1:1 springt Novoflex ein und schafft mit seinem Automatikbalgen für das GFX-System Abhilfe. So werden selbst etwas jenseits von 1:1 noch Makrofotografien möglich – bei gutem Licht sogar mit Autofokus. Der AF-Motor des 120 mm ist zwar schnell, aber er erreicht nicht die Geschwindigkeit der neuesten ca. 100-mm-Makros von Canon oder Nikon aus dem Vollformatlager. Bei der Landschaftsfotografie spielt das GFXSystem wenig überraschend sein Potenzial voll aus. Vor allem dank der hervorragenden Zooms mit Blende f/4 (entspricht am Vollformat der Schärfentiefe-Wirkung von f/2,8-Zooms) und dem merklich besseren Dynamikumfang des Sensors in der GFX100 II (rund eine Blende mehr Dynamik als der hervorragende Vollformatsensor in der Nikon D850) ist Landschaftsfotografie eine wahre Freude. Selbst bei nicht optimalen Lichtbedingungen ist das Vergessen des Stativs nicht tragisch, denn der hervorragende Bildstabilisator der GFX100 II arbeitet ohne Tadel: In Kombination mit dem manuellen Laowa 17 mm (entspricht etwa 13,5 mm Brennweite am Vollformat) wurden selbst die langen Belichtungszeiten der Wasserfall-Fotografie zum Kinderspiel – ganz ohne Ein- oder Dreibein.

Das 4/120-mm-Makro fürs GFXSystem überzeugt mit einer sehr guten Abbildungsleistung.
Die f/4-Zooms mit 20-35 und 45-100 mm Brennweite von Fujifilm liefern sehr hohe Bildgüte und sind eine Empfehlung für Landschaftsfotografen. Ganz leicht sind sie aber nicht! Und der Winkel-Adapter EVF-TL1 für die GFX100 II.

Fazit

Fujis Mittelformat ist trotz kleinerer Kritikpunkte in der Naturfotografie angekommen. Sicherlich werden eingefleischte Vogelfotografen mit „nur“ 560 mm äquivalenter Brennweite des Fujinon 5,6/500 mit 1,4-fach-Konverter keine Freudensprünge machen. Aber für alle anderen Naturfotografen ist das GFX-System eine Überlegung wert. Denn wo bekommt man schon 102 MP Auflösung und damit so viel Crop-Potenzial? Zudem ist das GFX-System preislich keineswegs abgehoben. Gerade das 5,6/500 mm ist mit knapp 3.900 Euro für die gebotene Leistung geradezu ein Schnäppchen. Und die lichtstarken f/4-Zooms liegen preislich auf einem ähnlichen Niveau wie ihre f/2,8-Verwandten aus dem Vollformatlager. Einzig die Kameras bleiben etwas teurer