AUFLÖSUNGS­RIESEN OHNE SPIEGEL IM TEST

KLASSENKAMPF AM GIPFEL

Nach der Quasi-Alleinherrschaft von Sony im spiegellosen Vollformat schickt sich Nikon an, der Alpha-7-Reihe Paroli zu bieten. Ob das gelingt, haben wir in Praxis und Labor ermittelt.

Der Hamburger Fotograf Frank Karl Soens hat für uns beide Kameras mit in sein Studio geholt und ein Shooting mit Model Marie Weinke (www.muga-model.com/marie-weinke) umgesetzt. Die Blitzanlage wurde per Funk über die jeweiligen Systemschuhe synchronisiert, beide Kameras liefern eine gnadenlose Schärfe und eine sehr hohe Detaildichte. // ISO 100 / f/14 / 1/125 s www.franksoens.de © Frank Karl Soens

Was für ein Paukenschlag zur photokina! Dabei sind Canon und Nikon nicht einmal die einzigen Hersteller, die mit einem spiegellosen Vollformatmodell antreten und den bisherigen “Monopolisten” Sony ins Visier nehmen. Den ersten Test der Nikon Z 7 hatten wir bereits in der vorigen Ausgabe, jetzt muss sie sich der direkten Konkurrenz von Sony in Labor und Praxis stellen. Einen ersten Test der Canon EOS R finden Sie ab Seite 34, wer sich im spiegellosen Vollformat ebenfalls neu aufstellt, erfahren Sie im Newsteil zur Messe ab Seite 8.

Die Zukunft ohne Spiegel
Immer schnellere Prozessoren und eine ausgefeilte Technik, den Autofokus in den Bildsensor zu implementieren, lassen die Diskussion um die AFGeschwindigkeit von Spiegellosen verstummen. Zu Recht, wie wir finden, doch dazu später mehr. Die Achillesferse spiegelloser Kameras, an der sich die Geister scheiden, bleibt der elektronische Sucher, zumindest in der emotional geführten Diskussion unter Gegnern und Befürwortern.

Die technischen Daten im Überblick

Testfoto-Download (.zip)

Die Z 7 ist in Linienführung und Bedienkonzept kaum von vergleichbaren Nikon-DSLRs zu unterscheiden. Mit ihr fällt der Umstieg ins spiegellose System leicht, zudem können die bisherigen Objektive genutzt werden.

Dabei liegen die Vorteile des elektronischen Gucklochs auf der Hand: Je nach Wunsch des Fotografen zeigt dieses eine echte Vorschau des Bildes und berücksichtigt dabei sämtliche Belichtungsparameter, oder er gibt dem Fotografen ein Bild wieder, das dieser jederzeit optimal beurteilen kann. Gerade wenn manuell geblitzt wird, ist es von Vorteil, den Preview zu deaktivieren, sonst bleibt das Sucherbild in der Regel dunkel. Doch was, wenn man den Unterschied gar nicht mehr wahrnimmt? So ist es uns bei den ersten Fotos mit der Nikon Z 7 gegangen! Der Formfaktor und die Bedienung sind so dicht an dem, was wir von bisherigen Spiegelreflexmodellen von Nikon kennen, dass wir die 7er genau so benutzt haben. Die technischen Daten des elektronischen Schirms können sich sehen lassen, wie etwa bei der Sony Alpha 7R III oder der Panasonic Lumix G9 arbeitet hier ein “Finder” – wie die korrekte Übersetzung aus dem Englischen eigentlich lauten müsste -, der rund 3,69 Millionen Pixel auflöst.

Beide Testkandidaten sind auch für die Reportage bestens geeignet. So sind wir mit ihnen durch den Hamburger Industriehafen gezogen und haben die Arbeiten am Burchardkai dokumentiert – ein Kinderspiel für beide Modelle. // ISO 400 / f/8 / 1/1.250 s © Tobias F. HaburaDennoch punktet Nikon im direkten Vergleich. Den Unterschied macht das optische System, das sich zwischen dem Schirm und dem Auge des Fotografen befindet (siehe auch Seite 48). Einzelne Pixel werden damit sicher verborgen und bei einem Blindtest fiele die Einstufung als optisches oder elektronisches System nicht leicht. An dieser Stelle sollte aber auch nicht verschwiegen werden, dass die Frequenz des Bildaufbaus gern etwas höher sein dürfte. Wer – wie etwa Sportfotografen – nämlich mit der Kamera am Auge schnell schwenkt, wird schon ein bisschen “seekrank”. Ein Punkt für den Sucher ist, dass dieser auch bei der rasanten Bildfolge von zehn Bildern pro Sekunde, in der H+-Einstellung, kein Schwarzbild zeigt. Nicht einmal das Flackern, das wir vom Spiegelschlag beim optischen Sucher kennen, tritt bei der Z 7 in Erscheinung.

Kommen wir zum Autofokus. Dabei verlassen wir uns nicht nur auf unseren persönlichen Eindruck, sondern ziehen auch die Messergebnisse zurate, die uns das TIPA-Labor (Technical Image Press Association) zur Verfügung stellt. Unter den spiegellosen Kameras zählt Sony in dieser Disziplin zu den schnellen Vertretern, die bei ihren APS-C- und Vollformatmodellen ein vergleichsweise rasches Auffinden der richtigen Schärfe ermöglichen. Laut TIPA-Messung vergehen gerade einmal 0,24 Sekunden. Und Nikon? Die Z 7 kann diesen Wert tatsächlich noch einmal unterbieten. Nahezu unbeeindruckt von der jeweiligen Lichtsituation fokussiert die Z 7 ihr Motiv in nur 0,1 Sekunden.

Etwas kompakter und nicht ganz so gut balanciert wie die Nikon Z 7 ist die Sony Alpha 7R III. Beide besitzen einen beweglich gelagerten Sensor.

Auch unter Praxisbedingungen können wir dies bestätigen. So sind wir etwa “auf den Hund gekommen” und haben die Vierbeiner bei ihren Übungen für die Agility-Prüfung (bei der Mensch und Tier einen Parcours bewältigen müssen) begleitet. Mit und ohne Vorfokussierung kam die Nikon etwas schneller auf den Punkt und lieferte mehr scharfe Motive als die Sony ab. Doch eines sei auch klar gesagt: Beide haben sich hervorragend geschlagen und sind ohne Einschränkungen geeignet, schnelle Bewegungen einzufangen.

Ein perfektes System
Eine Systemkamera ist natürlich immer nur so gut wie die Summe aller Komponenten. Dazu zählt zuallererst die Auswahl der Objektive, aber auch, wie gut das System aufeinander abgestimmt ist. Beginnen wir mit den Linsen und den Kameras, die inzwischen in der dritten Generation am Start sind: Sony bietet bei seinen Alpha-7-Modellen einen Vollformatsensor in einem extrem kompakten Gehäuse. Unter anderem das Auflagemaß verhindert jedoch eine vergleichbar kleine Bauform der Objektive. Selbst Festbrennweiten im unteren Brennweitenbereich sind teilweise so massiv, dass eine wirklich gute Balance mit der Kamera nur schwer erreicht werden kann. Hier hat die Nikon Z 7 die besseren Karten. Sie ist (auf dem Papier) zwar nur wenige Millimeter größer und nur rund 20 g schwerer, doch die Ausprägung des Griffelements orientiert sich stärker an den Anforderungen von Fotografen, die mit schweren Objektiven unterwegs sind.

Links: Nikon Z 7, rechts: Sony Alpha 7R III. Diese beiden Aufnahmen entstammen einer Serie von mehreren Bildern, die allesamt gestochen scharf sind. Beim Agility-Training im Sporthundeverein Todtglüsingen überwindet der Hund die zu einem steilen Dreieck aneinanderlehnenden Laufflächen. Fokussiert wurde, sobald der Hund auf der vom Fotografen nicht einsehbaren Seite zum Vorschein kam. Zur groben Orientierung wurden beide Kameras auf das obere Ende der diesseitigen Lauffläche vorfokussiert. Was die Agilität und Treffsicherheit des Autofokus angeht, so zeigten sich in der Praxis kaum spürbare Vorteile bei der Nikon Z 7. // ISO 800 / f/8 / 1/1.600 s (+ 0,3 EV) links / 1/1.250 s (+ 0,33 EV) rechts.

Vor allem der Konterpunkt für den Daumen der rechten Hand unterstützt eine perfekte Bedienung. Dass dieser gleichzeitig Deckel für das Kartenfach ist und keine weitere Sicherung gegen ungewolltes Öffnen besitzt, erschließt sich uns jedoch nicht. Fernab dieses Details kann sich Nikon mit der Z 7 aber gegen die Alpha 7R III behaupten. Und die Verfügbarkeit der Objektive? Auf der vorhergehenden Seite haben wir alle relevanten Objektive beider Systeme aufgeführt. Es wird deutlich, dass Sony inzwischen eine sehr ordentliche Range anbieten kann. Die letzte offene Flanke wäre ein lichtstarkes Supertele, ein 4/500 mm etwa oder besser noch ein 4/600 mm. Es war jedoch ein langer Weg bis hierher – nicht zuletzt, da Sony lange Zeit neben dem E- auch das A-Bajonett weiter gepflegt hat. Damit scheint nun erst einmal Schluss zu sein.

Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 11/2018.