WENN BEUGUNG ZUM PROBLEM WIRD

Zerfliesender Nagellack: Diese Mittelformataufnahme ist mit einer Kamera entstanden, deren Sensor einen Pixelabstand von 5,2 µm hat. Die forderliche Blende fur die rote Wellenlange liegt fur das Foto bei f/5,6, der dazugehorige Scharfentiefebereich fur einen Zerstreuungskreis von 0,01 mm betragt gerade einmal 1 mm. Die Scharfe liegt auf dem zerfliesenden Nagellack, sodass die Farb- und Glanzpigmente gut aufgelost werden. In der ausreichend grosen Nachvergroserung ist die Unscharfe der Schrift auf der Nagellackflasche klar zu erkennen. Hatte man bei dieser Aufnahme konventionell gerechnet, hatten sich eine forderliche Blende von f/22 und ein Scharfentiefebereich von 20 mm ergeben, womit der Schriftzug klar in den scharfen Abbildungsbereich gefallen ware. Dies Beispiel macht deutlich, dass man bei der Berechnungsgrundlage fur die forderliche Blende stets die geplante Vergroserung im Auge haben muss.

DIE OPTIMALE BLENDE

In vielen Workshops, vor allem zur Makrofotografie, taucht die Frage der geeigneten Blendeneinstellung – auch förderliche Blende genannt – auf. Was verbirgt sich dahinter?

Anwendung der förderlichen Blende: Der Bereich maximaler Schärfe soll 25 bis 30 mm betragen. Ausgehend von einem 22-MP-Vollformatsensor braucht man dazu selbst bei konventioneller Betrachtung etwa Blende f/45, was gegenüber der optimalen Blende f/17 die Allgemeinschärfe der Aufnahme so deutlich herabsetzen würde, dass dies mit einer einzigen Aufnahme nicht aussichtsreich erscheint. Die Lösung heißt Focus Stacking, erst recht bei gewünschter Ausnutzung der vollen Leistungsfähigkeit des Sensors. Mit einem Zerstreuungskreis Z = 2-fachem Pixelabstand = 2 x 0,00625 mm = 0,0125 mm errechnet sich eine förderliche Blende von f/8 (rechnerisch f/7). Dazu gehört ein Schärfentiefebereich von etwa 2 mm. Mit einer Tiefenüberlappung von 50 Prozent führt dies zu etwa 30 Aufnahmen mit einer Schrittweite von 1 mm im Focus Stacking.

Die Blende ist ein zentrales gestalterisches Element der Fotografie. Über sie wird die Lichtmenge reguliert, außerdem beeinflusst sie die Schärfentiefe, also die Ausdehnung im Raum, die wir als scharf erkennen. Sie wird umso kleiner, je weiter die Blende geöffnet wird. Ein Gegenstand wird scharf abgebildet, wenn er exakt in der eingestellten Schärfeebene liegt.

 

Einfluss von Beugung/Interferenz auf die Allgemeinschärfe: Die beiden Bilder eines Löwenzahns zeigen einen Bildausschnitt von 250 x 250 Pixeln. Die Länge eines hellen „Zähnchens“ in den weiß umrandeten Feldern beträgt etwa 15 Pixel. In der Aufnahme mit Blende f/5,6 erscheinen diese deutlich schärfer als bei Blende f/22. Dieser Effekt beruht ausschließlich auf dem Einfluss der Beugung bei dem kleineren Blendendurchmesser. Auf der anderen Seite ist die größere Schärfentiefe bei Blende f/22 gut zu erkennen. Damit die Größenverhältnisse richtig einzuordnen sind, zeigt die große Aufnahme ein Focus Stack aus drei Einzelaufnahmen mit Blende f/8 desselben Löwenzahns.

 

 

Bereiche vor und hinter dieser Ebene werden als unscharfe kreisförmige Scheiben – Zerstreuungskreise genannt – dargestellt, die beim weiteren Öffnen der Blende größer, beim Schließen der Blende entsprechend kleiner – und damit als schärfer erkannt – werden. Diese Eigenschaft der optischen Abbildung nutzen wir beim Abblenden, um Gegenstände außerhalb der Fokusebene noch annähernd scharf abzubilden beziehungsweise um den Schärfentiefebereich zu vergrößern.

Den gesamten Artikel mit weiteren Bildern finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 07-08/2018.

Fotos: Joachim Bliemeister
Autor: Joachim Bliemeister