Nachtfotografie – worauf es wirklich ankommt

Ein Taschenlampenblitz kann Minuten der Anpassung ruinieren. Je schwächer die Lampe, desto besser ist sie deshalb. (unsplash.com ©)

Wie die Nacht auf den Chip gebannt werden kann

Nachts fotografieren ist auch in Zeiten höchster ISO-Werte ohne sichtbares Rauschen immer noch eine Herausforderung. Lesen Sie hier, worauf es ankommt – vor allem, wenn die Bilder im großen Format an der Wand in Szene gesetzt werden sollen, um der Wohnung das gewisse Etwas zu verleihen.

Es gibt wohl nur wenige Fotoszenarien, in der sich so deutlich der Unterschied zwischen Digital und Analog zeigt, wie wenn die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist. Nehmen wir die neue EOS-1D X Mark III, Canons Flaggschiff. Sie ermöglicht einen maximalen ISO-Wert von üppigen 819.000 Zählern und bleibt bis weit hinauf ohne untragbares Rauschen. Dass damit geschossene Nachtfotos selbst noch im XL-Format als Foto auf Leinwand in den eigenen vier Wänden ebenso gut aussehen wie auf einem hochauflösenden Computermonitor, dürfte klar sein.

Tatsache ist, die Lichtempfindlichkeit von Fotosensoren und die Möglichkeiten der Rauschreduktion haben einen Punkt erreicht, an dem hochwertige Kameras ohne Übertreibung als Nachtsichtgeräte genutzt werden könnten. Allerdings: Ein hoher ISO und Rauschfreiheit allein bedeuten keine guten Nachtfotos als Automatismus. Und bei Geräten aus dem mittleren und unteren Preissegment sind die Chipfähigkeiten auch längst noch nicht so weit. Klassische Nachtfotofähigkeiten werden auch weiterhin ihre Bedeutung beibehalten. Doch worauf kommt es an, wenn die Vögel verstummt sind und sich der Schleier der Nacht übers Land gelegt hat?

1. Ein festes Stativ ist Gold wert

Selbst mit hohen rauschfreien ISO-Werten ist es bei vielen nächtlichen Szenarien sehr schwer, freihändig zu fotografieren. Und wo Nachtfotografie auf klassischem Weg erfolgt, ist es auch unmöglich. Ein Stativ ist deshalb zwingend nötig. Es muss kein teures, schweres Profimodell sein. Wohl aber sollte die Kamera darauf ungeachtet der Witterungsverhältnisse „bombenfest“ stehen.

Wichtig: Mit nächtlichen Belichtungszeiten kann jedes vorbeifahrende Auto, jeder Windhauch das Bild verwackeln. Die Stativbeine sollten dementsprechend in Gummifüßen enden. Und am besten wird die gesamte Konstruktion durch Sandsäcke weiter stabilisiert.

2. Lang, länger, nächtliche Belichtungszeiten

Bild: https://www.instagram.com/p/CEGrgy6pri8/

Nachts ist die Zeit der Langzeitbelichtung. Also Verschlussöffnungszeiten zwischen mehreren Sekunden und Minuten. Nur das vermeidet sämtliche Nachteile eines hohen ISO-Werts und ermöglicht es, auch mit weniger professionellem Equipment hochwertige Fotos zu erstellen.

Allerdings: ein „Einfrieren“ beweglicher Objekte ist damit nicht möglich. Autoscheinwerfer und Co. werden in jedem Fall als Leuchtbänder im Bild erscheinen.

Hier diktiert die Kamera die Vorgehensweise. Normalerweise lässt sich die Belichtungszeit bis höchstens 30 Sekunden hochregeln. Vielfach zu wenig, um ausreichend viel Licht auf den Chip zu bringen. Außerdem sind in den höheren vorwählbaren Verschlusszeiten auch die Abstände oft unpraktisch gestaffelt. Der Bulb-Modus ist deshalb meist besser:

  • Einmal auslösen: Verschluss öffnet sich.
  • Zweites Mal auslösen: Verschluss schließt sich.

Damit diktiert der Fotograf allein die Verschlusszeit. Gerade Anfänger sollten allerdings darauf gefasst sein, viel Zeit mit Ausprobieren zu verbringen, bevor das erste nächtliche Stadtpanorama, der erste Sternenhimmel gelingt.

Wichtig 1: Bei Spiegelreflexkameras sorgt die Spiegelbewegung in diesem Fall für untragbares Ruckeln. Langzeitbeleuchtung bedingt deshalb immer Spiegelvorauslösung.

Wichtig 2: Aus dem gleichen Grund ist der Gehäuse-Auslöser auch schwierig bis untauglich. Mit Fernbedingungen oder Apps geht es deutlich besser.

Wichtig 3: Die ISO-Automatik sollte ausgeschaltet, der ISO-Wert auf 100 herunterreguliert werden.

3. Manuell und unendlich fokussieren

Ohne Hilfsleuchte hat es der Autofokus nachts schwer. Nur reicht der Strahl der kleinen LED bloß wenige Meter weit – das genügt in den seltensten Fällen. Daraus ergeben sich drei Tipps:

  1. Der Autofokus ist nachts unpräzise bis unbrauchbar. Also ausschalten und manuell arbeiten.
  2. Nach Möglichkeit den Live-Modus auf dem Display nutzen. Darauf lässt sich nachts bei vielen Kameras alles besser erkennen als beim Blick durch den Sucher.
  3. Den Fokus am Objektiv oder im Kameramenü auf unendlich stellen.

Da es in der Nacht selten um Portraits und andere Nahaufnahmen geht, ist diese Vorgehensweise die für die meisten Situationen beste.

4. Dunkle Nacht – Blende 8

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Sehr lange Belichtungszeit, unendlicher Fokus. Damit steht und fällt ein wichtiger Teil der Schärfe des Bildes mit der richtigen Blende. Gefühlt mag es für viele Fotografen der ideale Weg sein, die Blende möglichst weit zu öffnen, um eine entsprechend „kurze“ Verschlusszeit realisieren zu können. Das Problem der großen Blende ist jedoch bekanntlich die geringe Schärfentiefe und damit das Risiko eines insgesamt unscharfen Fotos.

Umgekehrt passiert bei Blendenwerten jenseits von 8 ein Lichtbeugungseffekt; die Lichtstrahlen treffen also nicht geradlinig auf den Chip, sondern in einer mehr oder weniger starken Kurve – was ebenfalls nachteilig für die Schärfe ist; da ändert die hohe Schärfentiefe auch nichts.

Blende 8 ist zwar nicht der Weisheit letzter Schluss für alle Situationen der Nachtfotografie, aber er ist ein guter Ausgangswert, der oft mehr als brauchbare Bilder liefert.

Tipp: Nachts ist die Bildbewertung nur auf dem Kameradisplay noch ungenauer als bei Tag. Hier sollte wirklich das Histogramm genutzt werden. Falls noch nicht geschehen sollte dazu auch Folge drei der Colourclass Lofoten angeschaut werden.

5. Stirnlampe für erhellende Momente

Das Schulterdisplay der Kamera lässt sich beleuchten, das Hauptdisplay tut es von selbst und ein guter Fotograf sollte spätestens für Nachtfotos die Lage aller Bedienelemente an seiner Kamera sowieso blind kennen und beherrschen. Alles also gut? Nein, keineswegs.

Denn neben dem eigentlichen Vorgang des Fotografierens ist Dunkelheit immer ein Risiko für Probleme – und wenn es der Fotograf ist, der bei offenem Verschluss mit dem Knie gegen ein Stativbein stößt und zumindest diese Aufnahme damit ruiniert – wenn er nicht gleich das Stativ samt Kamera umwirft, was auch schon mehr als einmal vorkam.

Im Klartext: Zur Nachtfotografie sollte in jedem Fall eine Taschen-, besser jedoch Stirnlampe gehören. Allerdings bitte nicht ein Modell, dessen Helligkeit jedem Fahrzeugscheinwerfer im Fernlichtmodus Konkurrenz macht. Denn wer nachts sein Equipment aufbaut, wird schon automatisch ziemlich schnell die Helligkeit seines Kameradisplays aufs Minimum herunterregulieren – weil es sonst alles andere überstrahlt und die Augen sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen können.

Gleiches passiert beim Einsatz zu starker Taschenlampen. Und zwar gründlich: Ein kurzes Aufblitzen kann das bis zu 20 Minuten andauernde vollständige Anpassen der Augen an die dunkle Umgebung zunichtemachen. Daher sollte die Lampe nicht nur möglichst schwach sein, sondern am allerbesten einen Rotlichtmodus besitzen. Dessen Wellenlänge hat die kürzeste Reichweite, beeinträchtigt deshalb die Nachtsichtfähigkeit der Augen am wenigsten.

Alle fünf Punkte beachtet? Dann kann es losgehen. Die nächtliche Stadt, das flache Land, ein strahlender Sternenhimmel. Atemberaubende Nachtaufnahmen sind nur noch einige experimentierende Auslösungen entfernt.