Hasselblad X2D 100C

Attacke aus Schweden

Das Metallgehäuse der X2D 100C ist, gemessen an der Sensorgröße, klein, aber maximal edel: Stolz prangt der Schriftzug „X2D Handmade in Sweden“ auf dem Oberdeck – graviert statt aufgedruckt natürlich, wie fast alle Schriftzüge auf dem Body der neuen Spiegellosen und auf den drei parallel zur X2D vorgestellten neuen Objektiven. Die X2D 100C ergänzt das bestehende Modell X1D II 50C und wurde in vielerlei Hinsicht aufgebohrt. Dabei kommt sie mit Abmessungen von 148,5 x 106 x 74,5 mm und einem Gehäusegewicht (mit Akku) von gerade mal 895 Gramm extrem kompakt daher und eignet sich somit auch für den entspannten Foto-Spaziergang mit Pixelreserve satt.

Die X2D 100C kommt zusammen mit drei neuen Zentralverschluss-Festbrennweiten, hier das XCD 2,5/90 mm.

Die gute Ausstattung beginnt beim rückseitig belichteten BSI-CMOS-Sensor mit 43,8 × 32,9 mm und gigantischen 100 Megapixeln, geht über den 5-achsigen Bildstabilisator auf Sensorebene, der bis zu 7 Belichtungsstufen Verwacklungsfreiheit bringt und endet beim ins Gehäuse integrierten 1-Terabyte-SSD-Speicher. Dazu kommen zahlreiche Detail- und Handlingverbesserungen, die das kleinere Modell aus selbem Hause locker in den Schatten stellen. Der Preis wurde im Vergleich zum 50-Megapixel-Modell Schweden um moderate 700 Euro erhöht.

Klappbarer Touchscreen und ein sehr aufgeräumtes Oberdeck mit pfiffigem OLED-Display.

Gute Figur im ersten Einsatz

Für knapp 8.700 Euro bieten die Schweden, das zeigt unser erster Praxistest, ein stimmiges Paket und eine spiegellose Mittelformatkamera, die locker über die Schulter getragen werden kann und die sich im täglichen Einsatz so gut schlägt wie eine Vollformat-Spiegellose. Auch mit den hervorragenden GFX-Modellen von Fujifilm kann die X2D 100C konkurrieren. Denn vor allen Dingen beim Autofokus (in der Welt der großen Sensoren und gigantischen Pixelmengen ein extrem wichtiger Faktor) hat Hasselblad richtig nachgelegt – auch wenn eine digitale Mittelformatkamera in Sachen Reaktionsschnelle bei bewegten Motiven natürlich nicht mit einer professionellen Systemkamera mit APS-C- oder Kleinbildsensor mithalten kann. Aber Sport- und Actionfotografen werden sich auch kaum ein Mittelformatsystem kaufen, alleine schon wegen der Beschränkungen, was lange Brennweiten und sehr hohe Lichtstärken angeht. Die X2D 100C ist wie ihre Verwandten eine Kamera für die ruhige Fotografie und beherrscht Landschaft, Architektur, Studio, Portrait, Stilllife und Co.

ISO 3.200 und der eingebaute Bildstabilisator machen hier das Stativ überflüssig.

Fokus: Statisch, aber zuverlässig

Der statische AF der X2D arbeitet mit 294 Phasendetektions-Zonen und stellte in unserem Test (Vorserienmodell!) unbewegte Objektive auch bei recht wenig Licht schnell und zuverlässig scharf. Zwar verzichtet Hasselblad auf einen Joystick auf der Kamerarückseite – dafür lässt sich der Fokuspunkt auch mit der Kamera am Auge mit dem Daumen auf dem Rückseitenmonitor einigermaßen zielsicher an die gewünschte Stelle im Motiv schieben. Eine AF-Verfolgung oder Gesichts-/Augenerkennung hat die Neue beim Marktstart nicht an Bord. Laut Hasselblad sollen diese Features aber nächstes Jahr im Rahmen eines Firmware-Updates nachgereicht werden.

Der 0.5-Zoll-OLED-Sucher mit seinen 5,76 Millionen Bildpunkten, einer Vergrößerung von 1x und einer Bildwiederholrate von 60 fps ist hervorragend, aber so groß, dass das Auge (zumindest bei Nicht-Brillenträgern) ein wenig im Motivfeld umherwandern muss. Auch der 3,6-Zoll-Touchscreen auf der Rückseite, der 2,36 Megapixel auflöst und sich nach oben klappen lässt, ist den Göteborgern gelungen. Und last but not least das kleine OLED-Display, das auf der rechten Kameraschulter das Modusrad der X1D ersetzt, ist ausgeklügelt und zeigt beispielsweise bei ausgeschalteter Kamera nach kurzen Druck auf die Ein/Aus-Taste den aktuellen Akkustand an. Stichwort „Ein/Aus-Taste“: Die Hasselblad benötigt zum Start ca. 2 Sekunden, das ist langsam im Vergleich zu einer sportlichen Vollformat-Spiegellosen vom Schlage einer Nikon Z 9 oder Canon EOS R3, aber immerhin mehr als doppelt so schnell wie die X1D II.

Noch bietet die X2D keinen Nachführ-Autofokus. Der Fotograf muss also bei bewegten Motiven aufpassen.

Speicherplatz satt

Überhaupt hat Hasselblads neue Spitzen-Spiegellose jede Menge an alltagstauglichen Merkmalen mitbekommen. Eines der spannendsten ist zweifelsohne die integrierte 1-TB-SSD. Sie steht alternativ zum CFexpress-Slot (Typ B, bis 512 GB Kapazität) zur Verfügung und puffert Unmengen an 100-Megapixel-JPEGS oder FR3-RAWs in Windeseile weg. Wer möchte, kann die Daten parallel auf die CFexpress-Karte speichern oder die eingesteckte Karte als Überlaufmedium nutzen. So oder so: Dank der SSD gerät das Thema „Speicherplatzmangel“ trotz der gigantischen Bildgröße des (vermutlich von Sony produzierten) Sensors aber der jungen Schwedin nur noch selten in den Fokus des Fotografen.

Stichwort „Fotograf“: Hasselblad hat die X2 D 100C konsequent für Standbilder ausgelegt. Eine Videofunktion fehlt völlig und wurde laut Hersteller bei zahlreichen Kundenbefragungen von der Klientel auch nicht gewünscht. Hier geht Konkurrent Fujifilm mit der in Sachen Sensorgröße, Bildstabilisation, Auflösung und Preis vergleichbaren GFX100S einen anderen Weg und hat seiner Top-Spiegellosen sogar 4K/30p-Video auf den Weg mitgegeben. Dafür punktet die Schwedin vor der Japanerin klar mit dem eingebauten üppigen Speicher, der sich übrigens ganz einfach per USB-Kabel am Rechner auslesen lässt.

Dynamik und Bildgröße satt: Die 100-Megapixel-Hasselblad belichtet mit der mittenbetonten Messung sehr sauber.

 

Drei neue Festbrennweiten

Das XCD-Objektivsystem bohrt Hasselblad parallel zur Vorstellung der X2D auch auf; es wächst um drei neue Zentralverschluss-Festbrennweiten auf inzwischen 13 Optiken für die spiegellosen Hasselblads. Das XCD 2,5/38 mm V (entspricht 30 mm im Kleinbildformat),das XCD 2,5/55 mm V (äquivalent 43 mm), und das XCD 2,5/90 mm V (äquivalent 71 mm) wurden im Inneren wie Äußeren neu designt und bieten ein völlig neues Fokussiermodul mit Steppingmotor, der die Geschwindigkeit des AF der X2D ermöglicht. Zudem kommen die Neuheiten mit einem individuell programmierbaren Steuerungsring. Das Optik-Trio in feinem Ganzmetallgehäuse kostet zwischen 4.200 und 4.800 Euro. Nicht gerade Schnäppchen, doch dafür gibt es erstklassige Abbildungsleistung (wir hatten das 38er und das 55er im Einsatz) und praktische Features wie AF-MF-Schieber, Schärfentiefeskala (natürlich graviert) und einen schnellen Zentralverschluss, der mechanische Zeiten von bis zu 1/2.000 s schafft (der elektronische Verschluss kommt sogar auf 1/6.000 s).