Erster Test: Sony Alpha 1 II

“The One”: das neue Alpha-Tier

Sonys Neuzugang in der Profi-Liga ist ein Hybrid, weil sie die extrem hohe Auflösung der Vorgängerin Alpha 1 mit dem Tempo der Action-Schwester Alpha 9 III vereint. Eine eierlegende Wollmilchsau für Profis und anspruchsvolle Amateure sozusagen. Schon ihre Vorgängerin war als Universalist angelegt – mit dem Einzug aktuellster AF-Technik ist das neue Oberhaupt der Alpha-Familie aber noch ein Stück näher an den ultimativen Alleskönner gerückt. Nicht ganz ohne Stolz nennt Sony daher sein kommendes Flaggschiff „The One“.

Wir hatten bereits vor der offiziellen Vorstellung die Gelegenheit für einen ausführlichen Praxistest des 7.500-Euro-Boliden.

Die größte Veränderung gegenüber der Anfang 2021 präsentierten Alpha 1 fällt sofort ins Auge: Die 1 II steckt im Body der 9 III. Sieht man vom Schriftzug ab, sind die Gehäuse der neuen Nummer eins und der Anfang 2024 vorgestellten Speed-Alpha absolut identisch. Weniger auffallend sind die Neuerungen bei den inneren Werten – zunächst!

50 Megapixel von der Alpha 1 – das reicht vollkommen
Die Alpha 1 II arbeitet mit dem gleichen 50-Megapixel-Sensor wie ihr Vorgänger und teilt sich mit ihm auch den Bionz XR-Prozessor. Mag im ersten Moment nach unspektakulärer Modellpflege klingen, fügt sich aber zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen, wenn man den Boliden im Einsatz sieht.

Wir sind mit der Alpha 1 II unter anderem in den Weltvogelpark Walsrode gefahren, um zu testen, wie der neue, massiv KI-unterstützte Autofokus in der Praxis performt. Die Scharfstellung soll laut Sony nicht nur wesentlich schneller geworden sein, sie soll auch deutlich cleverer zu Werke gehen. Das beginnt schon bei der Analyse des Motivs, denn die Alpha 1 II ist nun in der Lage, selbstständig zwischen Mensch, Tier und Fahrzeug zu unterscheiden. Und dieser „Auto“-Autofokus funktioniert prima! Noch leichter macht man es der Kamera natürlich, wenn man weiß, was man vor der Linse bekommt und dies im Menü „Erkennungsziel“ eingibt.

Der frechen Kormoran im Weltvogelpark Walsrode stellt die neue Top-Sony sauber scharf, trotz schwarzen Gefieders und hektischen Bewegungen.

Für unsere Exkursion zum Federvieh wählten wir also „Vogel“. So gerüstet, stellte die neue Sony auch bei maximaler Serienbildfrequenz (wie beim Vorgänger: 30 B/s) mit sehr guter Trefferquote auf die geflügelten Hauptdarsteller scharf – egal ob junge Schleiereule oder gigantischer Condor. Bemerkenswert bei all unseren Testmotiven: Ob Schäferhund oder Schwarzdrossel: Die Alpha fokussiert nicht nur das Tier an sich, sondern mit einer guten Trefferquote dessen Augen – gerade bei langen Brennweiten und großen Blendenöffnungen ein echter Bonus für gelungene Bildserien.

Der automatische AF erkennt Sujets selbstständig und fokussiert hier auch während einer schnellen Bildserie meist genau das Auge des vorderen Hundes.

Praktisch auch, dass die 1 II mit der bei der 9 III eingeführten „Pre-Capture“-Funktion arbeitet: Im Serienbildbetrieb puffert sie auf Wunsch bis zu eine Sekunde, bevor der Auslöser durchgedrückt wird und schreibt diese Daten dann auf die Karte.

Klasse Autofokus, auch für Sport und Action
Dass Sony den (schon sehr guten) AF seines Spitzenmodells noch einmal merklich aufgebohrt hat, dürfte nicht nur Action-Fotografen freuen (denen man in Form der Global-Shutter-Weltneuheit Alpha 9 III ja bereits ein explizit flinkes Modell an die Hand gegeben hat). Auch im „normalen“ Foto- und Video-Einsatz macht sich das Schärfe-Update bemerkbar: Der Autofokus der Alpha 1 II spielt sowohl, was die Erkennung als auch was die Verfolgung angeht, ganz klar in der höchsten Liga. Dass sie auch beim schnellsten Serienbild Fokus und Belichtung nachführt und (wie die 9 III und die Alpha 1) keinen Blackout im Sucher zeigt, macht sie auch und gerade für die Tier- und Sport-Fotografie zum perfekten Begleiter. Denn der hochauflösende Exmor RS-Sensor bietet im Gegensatz zur Alpha 9 III jede Menge Potenzial für Ausschnittvergrößerungen. Wir haben daher viele unserer Fotos von der Flugshow im Weltvogelpark mit APS-C-Crop gemacht. Das ergibt immer noch Auflösungen von 21 Megapixeln und verlängert die Brennweite um den Faktor 1,5. So kamen wir beim Sony 2,8/70-200 mm GM OSS II auf eine Brennweitenwirkung von bis zu 300 mm.

 

Danke an den Weltvogelpark in Walsrode, wo wir mit der Sony Alpha 1 II eine Flugshow fotografiert haben, um den Tracking-AF des neuen Topmodells zu testen.

Übrigens: Wer häufig Video mit höchsten Auflösungen oder schnelle Serienbilder nutzt, der sollte in CFexpress-Karten investieren. Die A1 II nimmt in ihrem Doppelslot wahlweise SD- oder auch CFexpress-Speicher (Typ A) auf – erstmals auch die rund zweimal so schnellen 4.0-Modelle. Da sie das gleiche Gehäuse und Bedienkonzept wie die Alpha 9 III hat, besitzt die Alpha 1 II auf der Vorderseite auch die programmierbare „C5“-Taste, die man beispielsweise zum schnellen Hochschalten der Bildfrequenz verwenden kann.

Endlich mit voll beweglichem Display: Den Monitor – wie das gesamte Gehäuse und Bedienkonzept – hat die Alpha 1 II von der Global-Shutter-Schwester Alpha 9 III übernommen. Der Ergonomie tut`s gut.

 

Rauschverhalten besser
In Sachen Bildqualität steht Sonys Neuvorstellung dem bisherigen Familienoberhaupt in nichts nach, soll sie laut Hersteller bei „mittleren bis hohen ISO-Werten“ dank verbesserter Datenverarbeitung sogar übertreffen. Wir haben bis ISO 6.400 problemlos mit den JPEGs direkt aus der Kamera arbeiten können. Wer den dichtgepackten Sensor zu noch höheren Empfindlichkeiten treibt, sollte im RAW-Format arbeiten und später am Rechner entrauschen. Oder den (mit der A9 III eingeführten) „Composite RAW“-Modus einschalten (vom Stativ), bei dem bis zu 32 Bilder als Multi-Shot mit möglichst geringem Rauschen kombiniert und in Sonys „Image Edge“-Software entwickelt werden können.

 

ISO 16.000,  JPEG aus der Kamera. Die Details leiden – hier sollten Sie im RAW-Format arbeiten und die Bilder später gezielt am Rechner entrauschen.

 

Neben AF-Tempo und besserem Rauschverhalten hat die Alpha 1 II dem Vorgänger auch und vor allem einen wesentlich effizienteren Bildstabilisator voraus. Der Stabi auf dem Sensor-Chassis schafft nun bis zu 8,5 EV in der Bildmitte und immer noch 7 EV am Rand – der laut Sony beste Bildstabilisator, den man je produziert hat und deutlich mehr als die 5,5 EV bei der Alpha 1. Bei der Präsentation sprach Sony im Zusammenhang mit digitaler und mechanischer Video-Stabilisation von einem “Gimbal”-Effekt.

Neuer “Auto”-Modus für die AF-Erkennung und der VG-C5-Hochformatgriff.

Ein schönes Erbe der Speed-Schwester Alpha 9 III ist auch der jetzt 3,2 Zoll große Vari-Angle-Monitor, der endlich in vier Achsen bewegt werden kann. Und wer die Alpha 1 II mit einem Batteriegriff bestücken will, kann auf den VG-C5 der Alpha 9 III zurückgreifen.

Flugschau im Weltvogelpark Walsrode: Die Alpha 1 II kam mit dem Sony 2,8/70-200 mm II zum Einsatz und hatte wenig Probleme, die flinken Darsteller der Show bei flotten Bildserien im Fokus zu halten.

 

Unser Fazit:
Sonys neues Flaggschiff ist eine gelungene Mischung aus Pixel- und Sport-Bolide. Ein Wechsel von der Alpha 1 zum IIer-Modell dürfte sich aber nur für die wenigsten Anwender lohnen. Wer indes noch vor der Kaufentscheidung für eines der Spitzenmodelle von Sony steht, könnte schwach werden. Ist nämlich ein Allrounder gefragt, der sowohl jede Menge Auflösung als auch hervorragende Fokus- und Serienbild-Leistungen an Bord hat, dann führt an „The One“ quasi kein Weg vorbei.