VERHEISSUNGSVOLLES LAND
Hätte David Ben-Gurion damals vor 70 Jahren, als er die Unabhängigkeit des Staates Israel verkündete, erahnt, welchen Verlauf dieser historisch bedeutende Moment nimmt, er hätte wohl niemals seine Stimme erhoben. Zumindest, wenn man sich auf die Aussagen in einem seiner späteren Interviews bezieht, als er sich schon lange von der Politik in einen Kibbuz zurückgezogen hatte, wo er glaubte, seine Bestimmung gefunden zu haben. Ein autonomes, kreatives Leben. Genau das hatte er sich von Israel gewünscht. Er glaubte an den leuchtenden Stern inmitten der Wüste. Daraufhin gefragt, was ihm bedeutender sei, der unabhängige Staat oder der Frieden, antwortete er als gereifter Mensch (seine treue Gefährtin und Ehefrau Paula hatte ihn schon verlassen) mit fester Stimme: der Frieden. Seine Erben heute, die die Verlegung der US-Botschaft vom modernen, weltoffenen Tel Aviv nach Jerusalem als zutiefst gespaltener Stadt feiern – am Gedenktag zu 70 Jahren Unabhängigkeit –, handeln vermutlich nicht im Sinne ihres Gründervaters, der im Geiste der Zusammenführung, nicht der Teilung handelte. Clément Chapillon widmet sich dem Ist-Zustand einer zerrissenen Gesellschaft, indem er versucht, durch die Augen der Menschen zu blicken und deren Gefühle und Geschichten in Bildern einzufangen, um etwas über den Seelenzustand dieser Region zu vermitteln und verständlich zu machen. Was macht der Krieg mit einem, mit der Identität, dem Lebensgefühl, dem Lebensglück? – Der „Nahe Osten“ doch so fern.