Manuela Deigert und das Meer
Physisch nahe kommen einem die Bilder von Manuela Deigert: Es ist, als könne man die leichte Meeresbrise auf der Haut spüren, den frischen Duft nach Algen erschnuppern und einen Hauch Salz auf der Zunge wahrnehmen. Gerne teilt man ihre feinsinnigen Strandbeobachtungen aus der Distanz und lässt sich auf ihre sinnliche Ästhetik ein.
Liebe Manuela, das Thema Meer hält dich gefangen. Wieso?
Die Weite und Stille des Meeres vermitteln mir viel Freiraum, Harmonie und Frieden und machen Platz für Kreativität. Außerdem übt das Meer eine enorme Anziehung auf mich aus und begeistert mich, weil es bei jedem meiner Besuche anders aussieht, abhängig von Stimmung und Empfindung.
Deine Betrachtungen als Außenstehende auf die Menschen am Meer sind besonders. Warum diese Distanz?
Als introvertierte Person mag ich zwar den Menschen, suche aber oft die Stille und Einsamkeit. Zum Entspannen betrachte ich die Menschen dann gern aus der Ferne, in der sie durch die Weite des Meeres an Bedeutung verlieren und die Landschaft optisch durch ihre Winzigkeit schmücken.
Jeder Fotograf verändert ja im Lauf der Zeit seine Bildsprache – zumindest ein wenig. Wie hast du dich entwickelt?
Angefangen habe ich damals mit Landschaftsfotografien, inklusive HDR-Bearbeitung. Im Laufe der Zeit wurde mir die aussagestarke, künstlerische Fotografie aber immer wichtiger. Dabei ist es bis jetzt geblieben.
Ist die Fotografie für dich auch ein Medium, um Gefühle auszudrücken?
Ja, so ist es. Da ich kein Mensch großer und vieler Worte bin, vom Wesen eher sensibel, zurückhaltend und emotional, ist die Fotografie für mich ein sehr gut geeignetes Ausdrucksmittel. Grundsätzlich gelingt es mir wesentlich besser, mich in Bildern auszudrücken. Außerdem kann ich durch die Fotografie Geduld üben und zu mir finden, ähnlich wie in einer Meditation.
Du inszenierst dich in deiner Fotografie auch selbst. Gibt es in diesen Studien eine Grundaussage, die alle Motive vereint?
Ja, eine Geschichte ist meistens vorhanden, die jeder frei interpretieren darf. Oft gibt es einen tiefgründigen Aspekt in meinen Bildern und immer wieder die Auseinandersetzung mit dem inneren Ich.
Spielst du im Selbstporträt mit den Rahmen auf die verschiedenen Rollen der Frau an?
Teilweise schon, aber auch insgesamt auf Humanität und emotionale Zustände.
Welche Rolle spielt für dich die Farbe Rot?
Rot ist für mich Signalfarbe, sie steht für Erotik, Romantik, Liebe, aber auch für Warnung, Blut und Tod. Es ist der Widerspruch, der fasziniert und einen großen Reiz ausübt.
Wie entstand das Bild „Waschtag“?
Dieses Motiv war nicht inszeniert und das Foto entstand spontan an einem Wintertag am Strand von Dangast. Jemand hatte Wäsche aufgehängt und das Gesamtbild wirkte auf mich so surreal und skurril, dass ich es unbedingt festhalten und teilen wollte. Ich hatte vor Ort viel Zeit damit verbracht, diese Kombination von Strand, Winter, Wäschestücken und Person optimal zu fotografieren. Dabei fand ich es sehr spannend, eine solch surreale Szene im Alltäglichen zu finden und durch die passende Bearbeitung und Textur gewann das Bild noch zusätzlich an Reiz.
Erzählst du uns etwas über deine fotografischen Anfänge?
Erste Erfahrungen im analogen Bereich sammelte ich bereits als Jugendliche in der Foto-AG in der Schule. Nach zwischenzeitlich längeren Pausen habe ich dann 2009 das Hobby erneut aufgegriffen und intensiviert. Vorerst digital, später zusätzlich analog.
Welches Fotoequipment nutzt du bevorzugt?
Nach der Canon EOS 70D ist es nun mittlerweile die Canon R, bei den Objektiven bevorzuge ich meistens Festbrennweiten. Wenn Zeit und Muse ist, greife ich auch gerne zur ursprünglichen, altbewährten analogen Kamera, meiner Pentacon Six.
Du verkaufst deine Fotoarbeiten auch. Wie sind da deine Erfahrungen? Kann man sich angesichts der Bilderflut als herausragende Fotografin durchsetzen?
Nein, nicht wirklich. Manchmal verkaufe ich eine Bildlizenz zu einem guten Preis. Davon leben kann ich leider nicht. Bei einem Print bekomme ich nur 10 bis maximal 20 Prozent vom Verkaufspreis. Von Plattformen, die noch weniger zahlen, habe ich mich inzwischen distanziert. Offensichtlich tendiert auch der Wandbild-Trend mittlerweile stark in Richtung Schriftbilder, Grafik- oder Poster-Illustrationen und verdrängt somit die gute, alte Fotografie. Den Verdienst als Stockfotograf könnte man sicher optimieren, indem man aktuelle Themen rasch aufgreift und vermarktet. Dafür denke ich persönlich aber viel zu unwirtschaftlich und unkommerziell. Bei meiner Arbeit ist mir der künstlerische Aspekt und dass ich meine eigenen Ideen verwirklichen darf wesentlich wichtiger als der Profit. Besonders schön finde ich die Wertschätzung, die ich von Menschen erfahre, die für meine Bilder Geld ausgeben, um sie an ihre Wand zu hängen. Auch der Gedanke, dass ein Autor eines meiner Bilder für seine schriftstellerische Arbeit als Buchcover nutzt, die dann mehrfach in Geschäften verschiedener internationaler Länder ausliegen, gibt mir ein tolles Gefühl von Zufriedenheit und Glück.
Wie sieht deine Zukunft aus? Was sind deine nächsten naheliegenden fotografischen Ziele?
Auf jeden Fall möchte ich meinen jetzigen Standard beibehalten und weiter experimentieren. Mich vielleicht im analogen Bereich mit einer Hasselblad weiterentwickeln. Die Fotografie ist so vielseitig und schön, es wird mir sicher noch mehr einfallen.
Manuela Deigert …
… geboren 1971 in Fulda; seit 2010 lebt und arbeitet sie in Oldenburg, Niedersachsen. Seit 2009 intensivierte sie autodidaktisch die kreative, künstlerische Fotografie und einige ihrer Werke wurden mehrmals auf verschiedenen Plattformen für Fine Art Photography ausgezeichnet. Ihre fotografischen Hauptthemen sind die Darbietung und Abstraktion des Meeres, emotionale, surreale und poetische Bildgeschichten sowie konzeptionelle Selbstporträts. Seit mehreren Jahren besteht eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Bildagenturen für kuratierte Fotokunst wie Photocircle, Plainpicture und Trevillion.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der Photographie Ausgabe 7-8 2022 als PDF-Ausgabe oder im e-paper.