Kunstfoyer lädt nach München ein

SAUL LEITER: RETROSPEKTIVE

Der jüdisch-amerikanische Maler und Fotograf Saul Leiter erfuhr erst im hohen Alter die gebührende Anerkennung als einer der herausragenden Figuren der Nachkriegsfotografie und führenden Pioniere der Farbfotografie des 20. Jahrhunderts. Das Kunstfoyer in München widmet ihm bis zum 15. September eine große Ausstellung.

Saul Leiter, 1923 in Pittsburgh, Pennsylvania, als Sohn eines bedeutenden Rabbiners geboren, entdeckte früh seine Leidenschaft für die Kunst und begann bereits als Teenager zu malen. Sein Vater, der stets seine Hoffnung daraufgesetzt hatte, dass sein Sohn ihm eines Tages in der Familientradition als Rabbiner nachfolgen würde, unterstützte ihn nicht. Daraufhin weigerte sich der junge Saul in der Telshe Yeshiva, einer renommierten orthodoxen Einrichtung für Talmud und Thora Studien, in Cleveland, Ohio, seine theologischen Studien aufzunehmen. Stattdessen gab er sich ganz seiner Passion hin und eignete sich in der Bibliothek ein umfassendes Wissen über die berühmtesten Maler und Literaten an, u.a. Bonnard und Vermeer, Kafka und Dostojewski. Mit diesem Studium sorgte Leiter für die notwendigen historischen Zusammenhänge, die sein Denken und künstlerisches Schaffen begleiten sollten.

1946 verlässt Leiter die Yeshiva und geht nach New York, um einen künstlerischen Weg einzuschlagen. Es zieht ihn in das New Yorker Village, das Viertel, in dem er den künstlerischen Austausch mit Vertretern des Abstrakten Expressionismus sucht. Saul Leiters Farbfotografie lebt unter anderem von den farbigen und kompositorischen Ausdrucksmitteln, mit denen er an die Tradition und visuelle Sprache der abstrakten „New York School“ anknüpft, etwa in Anleihen bei Mark Rothkos Farbfeldmalerei oder Franz Klines kraftvollen Bildkompositionen. Seine Motive fand er auf den Straßen New Yorks, vorwiegend in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung im East Village, in der er ein halbes Jahrhundert lebte.

Leiters Ansatz ist allerdings weder auf spektakuläre Momente des Alltags noch auf spannungsvolle soziale Situationen ausgerichtet, sondern auf scheinbar belanglose und flüchtige Eindrücke des urbanen Lebens, das er in seinen Aufnahmen atmosphärisch verdichtet. Das Experimentieren mit Farbfilmen gab ihm die Möglichkeit, den fotografischen Augenblick in die Nähe der Malerei zu übertragen. Mit großem Gespür für die innerbildlichen Spannungsgefüge zwischen Motiv, Komposition und Farbwirkung entwickelte Saul Leiter eine grundlegende Auffassung vom Bild, die sein Staunen und eine tiefe innere Achtung vor den intimen und zeitlosen Momenten des Lebens bezeugen.

1953 stellte der Direktor der Fotoabteilung des New Yorker MoMA, Edward Steichen, fünf kleinformatige schwarzweiß Werke Leiters in der Gruppenausstellung „Always the Young Strangers“ aus und vier Jahre später zeigte Steichen in einem öffentlichen Vortrag „Experimental Photography in Color“ rund zwanzig Farbaufnahmen Saul Leiters.

Neben dem Einfluss des fünf Jahre älteren Fotografen W. Eugene Smith, der in den 1940er und 1950er Jahren für „Life Magazine“ und die Fotoagentur „Magnum“ arbeitete und in seinen Foto-` reportagen technische Perfektion mit Empathie verband, beeinflusste Leiter auch der Maler Richard Pousette-Dart, ein wichtiger Vertreter des Abstrakten Expressionismus. Dieser bestärkte ihn, nicht nur aus Liebe zur Fotokunst Aufnahmen zu machen, sondern sich mit Fotografie auch seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Erst Anfang der 1990er Jahre integriert Jane Livingston Saul Leiter in ihrem Buch „The New York School: Photographs 1936 – 1963“ und machte den Galeristen Howard Greenberg auf ihn aufmerksam. Es folgten Ausstellungen in Greenbergs Galerie in New York und mit dem Erscheinen der ersten Monografie „Early Color“ wird die internationale Fotoszene auf den Künstler Saul Leiter aufmerksam. Heute gelten seine Werke aus den 1940er und 1950er Jahren als Ikonen der modernen Farbfotografie. – Saul Leiter stirbt am 13. Dezember 2013 in New York.

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