Leica: Ost trifft West

Deutsche und österreichische Fotokünstler in Moskau, russische Fotografen in Wien

Veränderung bleibt in der Beziehung zwischen Ost und West eine Konstante. In den Wirkungen, die sie entfaltet, ist sie jedoch stets variabel, denn diese sind eine Frage des Blickpunkts. Den östlichen und westlichen Blick verschränken derzeit die Ausstellungen „East. Eyes. Effect.“ und „West. Eyes. Effect.“ – die Werke der Münchner Fotografin Carolin Unrath sowie zwei ihrer Kollegen aus Österreich sind in der Leica Galerie Moskau ausgestellt, und im Gegenzug sind die Bilder von vier russischen Fotografen in der Leica Galerie Wien zu sehen.

Dystopisch anmutende Momentaufnahmen aus dem Alltag russischer Minenarbeiter treffen auf Landschafts-Fotografien der majestätischen Alpen unter einem schier endlosen Horizont. Knapp 1.700 Kilometer Luftlinie trennen Moskau von Wien, wo die beiden Bildserien aktuell in den örtlichen Leica Galerien ausgestellt sind. „Gemein haben die so unterschiedlich wirkenden Fotos ein grundlegendes Motiv. Nicht das Handeln, sondern die Konsequenz daraus – der Effekt der Veränderung – steht im Mittelpunkt“, erklärt Miriam Marzura, Galerie-Managerin der Leica Galerie Wien, die gemeinsam mit Johannes Dietrich, dem Geschäftsführer der Leica Camera Austria GmbH, für das Ausstellungs-Programm verantwortlich zeichnet. „In erster Linie geht es uns mit ‚East. Eyes. Effect.‘ und ‚West. Eyes. Effect.‘ aber darum, aufstrebenden Fotografen die Möglichkeit zu geben, ihre Werke auszustellen.“

Die Bilder aus dem russischen Untergrund stammen von Maxim Marmur. Als Nachrichtenfotograf war der gebürtige Usbeke zweimal für den Pulitzer-Preis nominiert; für seine Bildserie „The Coal People“ besuchte er mehr als 20 über Russland verteilte Betriebe zur Gewinnung, Verarbeitung und zum Transport von Kohle.

Die Berg-Panoramen lichtete Carolin Unrath ab. Die in München ansässige freischaffende Fotografin bewegt sich vorwiegend in den Bereichen Lifestyle, Fashion, Sport und Reportage. Für ihre Serie „Untouched Nature“ befasste sich Unrath mit dem Reisen als Nährboden für Seele und Selbstbild, mit dem endlosen Horizont als Schablone, nach der es den eigenen Blick zu gestalten gilt. „Es ist kein Geheimnis, dass die heutige Generation von Reisenden aus einem Urlaub mit mehr als nur einer Bräune zurückkehren möchte. Wir reisen mit einem Ziel vor Augen, welches oft mit persönlichem Wachstum und Entwicklung verbunden ist und von dem wir hoffen, dass es jeden Bronzeton überdauert“, so Unrath.

Manuel Ortlechner war früher in der Abwehr der österreichischen Nationalelf im Einsatz und ist dem Fußball nach seiner aktiven Zeit beruflich treu geblieben. Darüber hinaus ist der Wahlwiener ein leidenschaftlicher Fotograf. Seine Serie „Skateboarding is not a Crime“ entstand spontan in einem Park in Wien-Hietzing. Seine Porträts eines jungen Skaters sind nun neben den Fotografien von Carolin Unrath im Leica Store Moscow GUM, direkt am roten Platz zu sehen. Als dritter im Bunde ist dort der in Kärnten geboren Wahlwiener Sascha van der Werf im Rahmen der Ausstellung „West. Eyes. Effect.“ vertreten. Seine Bilder befassen sich mit Entschleunigung, aktivem Erleben und der Visualisierung von Erinnerung.

Zeitgleich werden Werke von vier russischen Fotografen in der Leica Galerie Wien – über dem Leica Store in der Walfischgasse – gezeigt. Wie die Gegenausstellung in Moskau besticht auch „East. Eyes. Effect.“ durch enorme Vielfalt. Emil Gataullin dokumentierte mit seiner Kamera Dörfer im Norden Russlands, die weder der Vergangenheit entwachsen, noch in der Gegenwart angekommen zu sein scheinen und langsam von der Erdoberfläche verschwinden. Mit seiner nun in Wien gezeigten Serie „Mezen: by Sky’s Edge“ erreichte er das Finale des Leica Oskar Barnack Awards 2020. Andrey Gordasevich setzte sich mit der „Erinnerung an den Ort“ auseinander, sprich den im Lokalkorit gespeicherten Informationen, die das menschliche Gedächtnis beeinflussen. Dazu fotografierte er in der Kleinstadt Satka im Ural. Viktor Berezkins Bilder entstanden auf der „Bakshevskaya Masleniza“, einem modernen Frühlingsfest, das nie am selben Ort, aber immer mitten im Nirgendwo verschneiter russischer Wälder stattfindet. Und dann sind da natürlich noch die eingangs erwähnten „Coal People“ von Maxim Marmur.

Der fotografische Austausch zwischen den Leica Galerien Wien und Moskau wurde bereits 2020 mit dem ersten Teil von „East. Eyes. Effect.“ und „West. Eyes. Effect.“ ins Leben gerufen. „Seit 25. Juni ist der zweite und vorerst letzte Teil der Ausstellungen zu sehen“, so Johannes Dietrich. „Auf eine Vernissage haben wir aufgrund der Corona-Lage verzichtet – die Finissage am 11. September haben wir aber eingeplant. Sie soll dem ambitionierten Projekt einen angemessenen Schlussakt bescheren.“

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