KAI STUHT FOTOGRA­FIERT MIT ILSE UND FRED MAYER

TREFFEN AM HANGAR

Eigentlich sollte eine Reportage entstehen … passend zum Handwerk der Magnum- Fotografen Ilse und Fred Mayer. Doch an nur einem Tag? So schlossen sich die beiden dem Fashionfotografen Kai Stuht an.

Ich bin mit meinem Team wieder im Creative Caravan auf Achse für eine neue Auflage des Projektes “feat. of Photo-Legend and Talent” für die PHOTOGRAPHIE. Diesmal führt uns der Weg mit unserem 40 Jahre alten Doppeldecker-Stadtbus in die Berge. Zwischen den saftigen Almwiesen und schneebedeckten Gipfeln der Schweizer Alpen ächzt das Gefährt unter dem 18 Tonnen schweren Fotostudio die Serpentinen im Schritttempo hinauf. Diesmal geht es in den Schmelztiegel der Schweizer Fotografie- und Designszene.

Unsere Hipster sind diesmal Ilse und Fred Mayer, Magnum Fotografen, jeweils junge 85 Jahre alt und voller Tatendrang. Die beiden sind seit mehr als ein halbes Jahrhundert ein eingeschworenes Team und ein weltweit beachtetes Kreativduo der Dokumentarfotografie. Was die beiden ausmacht, ist ihre klare Haltung: Schon immer wurde alles per Handschlag vereinbart. Es ging um echten Journalismus. Gerade jetzt – in Zeiten der Anwälte, Verträge und der undurchsichtigen Gesetzentwürfe – ist ein auf reines Vertrauen basierendes Verhältnis besonders erstaunlich und für die Mayers noch immer unerlässlich. Ohne ging und geht es für die beiden nicht. Fred erzählt, dass für ihn einmal die Zusammenarbeit mit einem weltbekannten Magazin endete, als der neue Chefredakteur auf einem Vertrag bestanden habe.

Die Arbeit von Ilse und Fred zeigt uns, dass gute Fotoreportagen keinen Vertrag brauchen, auch nicht, wenn auf dem Bild der russische Präsident, der Papst oder ein Arbeiter in Tschernobyl zu sehen sind. Aber eine gute Reportage erfordert viel Zeit. Die beiden waren in der Welt unterwegs. Damals mussten die Reisen aufwendig durchorganisiert werden, das Fliegen war noch ein Abenteuer und extrem teuer. Es herrschte der Kalte Krieg, und trotzdem haben beide ihr Herz an die russische Seele verloren und im letzten Winkel der Sowjetunion unglaubliche Dokumentationen realisiert. Bilder, die eine Zeit festhalten, die wir im Westen kaum noch kennen. Bilder, die wie gemalt erscheinen, Porträts von Tschuktschen, Yupik und Ainu. Bilder, Porträts und Dokumentationen, die nicht nur eine längst vergangene Zeit festhalten, sondern auch das Abenteuer widerspiegeln, das sich dahinter verbirgt: in den 60er-Jahren an das sprichwörtliche Ende der Welt zu gelangen.

Wie hat Fred Mayer es dann auch noch nach den vielen Russlandreisen geschafft, auf den Flugzeugträger der fünften US-Flotte und des Erzfeinds der Russen zu kommen? Es herrschten andere Zeiten, Zeiten von gut recherchierten Bilderstorys, Zeiten, in denen Magazine noch Einfluss auf die Geschichte hatten, indem sie eigene Fotografen beauftragten. Kreativität braucht Leidenschaft, Visionen und viel Geduld, das war den Magazinen damals wichtig, und Fred und Ilse Mayer haben für sie eine ganze Epoche in Bildern festgehalten. Stolz berichtete mir Fred, dass er fünf Päpste porträtiert hat, und die Bilder lassen eine Nähe spüren, die heute fast nicht mehr möglich ist.

Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 12/2018.

ECKDATEN
Wie immer für die Serie “feat. of Photo-Legend and Talent” improvisierten Kai Stuht und sein Team eine Low-Budget-Produktion. Hier die Fakten:
Location:
Flugzeug-Hangar Zürich
Model:
Kim Worch / Agentur Fotogen Zürich
Contact Support
Photo18 München
Make-up
Franci Maggi
Assistenten
Lukas Köhler
Dominik Refior
Bildbearbeitung
Ricardo Thaler
Equipment
– Lumix GX9 mit Leica 12-60 mm für die Dokumentation
– Lumix G9 Leica 42,5 mm für Fashion
– Profoto-B1-Akkublitz mit Beautydish und Profoto-B2-Generator mit Klappen für den Hintergrund

Fotos: Ilse und Fred Mayer, Kai Stuht
Autor: Kai Stuht