Fotografinnen im Rampenlicht bei Kicken Berlin

Sheroes of Photographie

Schon mit dem ersten Teil der Ausstellungsreihe Sheroes of Photography erregte Kicken Berlin große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Das Konzept kommt an. Nun Part II zeitgleich zum Gallery Weekend Berlin 2021 mit einer umfassenden Einzelpräsentation von Tata Ronkholz (1940-1997). Sie ist innerhalb der von Männern dominierten Düsseldorfer Schule eine der wenigen Protagonistinnen der konzeptuellen, sachlich-dokumentarischen Auffassung künstlerischer Photographie überhaupt. Zu sehen sind Werke aus allen wichtigen Serien wie Industrietore, Rheinhafen Düsseldorf, Trinkhallen, Imbisse, und Schaufenster. 

Das Ausstellungsprojekt ist getragen von dem Wunsch, Photographinnen angemessene Sichtbarkeit zu verschaffen. Das steigende Interesse an photographischen Oeuvres von Frauen verdeutlicht sich aktuell auch an internationalen Initiativen wie der Ausstellung New Woman Behind the Camera in New York (Metropolitan Museum) und Washington D.C. (National Gallery of Art) oder der umfangreichen Spende mit Werken von Photographinnen ans Museum of Modern Art New York durch die Sammlerin Helen Kornblum.

Ronkholz verkörpert mit ihren streng frontal aufgenommenen Serien urban-industrieller Funktionsarchitekturen eine der konsequentesten Umsetzungen der Lehre von Bernd und Hilla Becher. Bereits in ihrem Grundstudium an der Düsseldorfer Akademie ab 1977 und noch vor dem Wechsel in die Klasse von Bernd Becher 1978 entstanden erste Aufnahmen von Industrietoren. Wie Bernd und Hilla Becher arbeitete Ronkholz streng dokumentarisch in Schwarzweiss und im klassisch-photographischen Format, mit Tageslicht und streng frontaler Bildauffassung, stets ohne Menschen. Die frühe Serie der Industrietore berührt ebenso den Bereich der Alltags- und Industriekultur und zeigt bereits alle Merkmale der typologischen Studie. Darüber hinaus offenbart die serielle Darstellung auch die abstrakte Bildlichkeit der funktionalen Architekturen.

Das Interesse für die Industriekultur am Rhein wie für die kleinen Geschäfte des täglichen Bedarfs in der Nachbarschaft führte Ronkholz zu ihrem Thema. Ihre Darstellung von Kiosken und Läden bewahrt alltägliche Kulturgeschichte und die veränderlichen Memorabilien der Warenwelt – Zeitschriften, Speisen und Getränke, Tapeten und Gardinen oder auch Werbung und Schaufenster allgemein.

Die Serie über den Düsseldorfer Rheinhafen, die Ronkholz in Kooperation mit Thomas Struth 1979-1980 erarbeitete, steht ebenfalls in der Tradition dokumentarischen Bewahrens und der „industriellen Archäologie“ historischer Bauten wie urbaner Strukturen. Ausgangspunkt war der Plan zur Neugestaltung des städtischen Hafengeländes (heute Düsseldorfer Medienhafen) ab Mitte der 1970er Jahre. Nachdem Struth sich 1980 zurückgezogen hatte, erarbeitete Ronkholz allein die Dokumentation der Innenräume wie der Getreidespeicher, die mit ihren Rohranlagen wie surreale  aumskulpturen anmuten.

Tata Ronkholz war vor dem Studium in Düsseldorf bereits in den 1960er Jahren an der Werkkunstschule Krefeld in Architektur und Innenarchitektur ausgebildet worden. Ihre Entwürfe reichen von der Wohnlandschaft im Baukastensystem bis zu einem beleuchteten Tisch mit der charakteristischen überdimensionierten Glaslinse des Objektkünstlers Adolf Luther, der ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wird.

Auch wenn ihr photographisches Werk bereits früh öffentlich wahrgenommen wurde, wie die Teilnahme an Ausstellungen wie Klaus Honnefs In Deutschland. Einige Farbaufnahmen ergänzten in den 1980er Jahren ihren ausgewählten Themenkanon. Nach 1985 beendete sie ihre künstlerische Tätigkeit. Mit dem wachsenden historischen Interesse an der Düsseldorfer Schule fand Ronkholz‘ streng konzeptuelle Auffassung vermehrt Aufmerksamkeit. Heute ist ihr Werk in vielen deutschen und internationalen Museen wie dem Metropolitan Museum in New York vertreten.

www.kicken-gallery.com