Fotograf Norman Konrad: Spezialist für das Aussergewöhnliche

ANARCHIE

Voller Körpereinsatz für Konrad und den “Stern”: Regisseurin Katja von Garnier springt durch ein Berliner Kino.

Tische, auf denen nicht viel mehr steht als kalibrierte Monitore, weißgetünchte Wände, an einer davon ein Singlespeed-Bike, mit dem der Editorialfotograf zu Redaktionsterminen fährt: Das Atelier von Norman Konrad hallt vor lauter Leere. Kein Schnickschnack, keine Zierde, alles hier ruft: Weniger ist mehr. Konrads Bildern merkt man diese Schwäche fürs Aufgeräumte und Reduzierte dagegen nicht an, ihr Motto lautet vielmehr: Mehr ist mehr. Mehr Farbe, mehr Requisiten, mehr Skurrilität, mehr Trash, mehr Bad taste, mehr Wahn-, mehr Bildwitz. Knallige Farben treffen auf überbordende Details und abstruse Requisiten. Eine Bildsprache, die mit diebischem Vergnügen auf den Lukas haut – lauthals, situationskomisch, eloquent. Vorbeigucken? Unmöglich!

Mit anarchischem Blick fasst der Berliner, der für Magazine wie 11 Freunde, GEO, Musikexpress, Stern, Süddeutsche Zeitung oder Die Zeit arbeitet, seine Motive ins Visier. Doch so chaosfreudig seine Bilder auch daherkommen, in Wahrheit sind sie mit Bedacht
komponiert. “Ich bin am Set schon sehr exakt, ja geradezu perfektionistisch, wenn es darum geht, wer wo wie steht und welches Detail an welcher Position mit aufs Bild soll”, sagt Konrad.

Aller Akkuratesse bei Composing und Setting zum Trotz: Konrads Bilder besitzen fast immer auch eine situative Dimension. So wie bei der Strecke, die er für das Fußball-Magazin 11 Freunde von eingefleischten Schalke-04-Fans geschossen hat. Die skurrilen Bilder der Aficionados entstanden zwar mithilfe von Regieanweisungen, allerdings ohne Stylisten oder Requisiteure – auf Deutschlands größtem Campingplatz Grav-Insel. Ähnlich situativ ging es auch bei den Porträts zu, die Konrad vom Elektronik-Pop-Duo Yello gemacht hat (bekannt u. a. für die “Formel Eins”-Titelmelodie ). “Es war mein Geburtstag, ich hatte mir fest vorgenommen, an diesem Tag nicht zu arbeiten. Aber dann rief der Focus an und fragte, ob ich Yello fotografieren wollte. Ich konnte einfach nicht widerstehen”, erinnert sich Konrad.

Auch hier griff der Fotograf auf das zurück, was ihm die Location bot – den zugleich mondänen und ein wenig abgewetzten Wiener-Kaffeehaus- Charme der Bar im Berliner Café Einstein. Norman Konrad, das springt neben den kreischenden Farben und opulenten Details gleich ins Auge, ist kein Freund des Bokehs. In seinen Bildern herrscht vielmehr stets ein Maximum an Schärfentiefe – ein Stilmittel, das die Zweidimensionalität des fotografischen Mediums unterstreicht. Gemeinsam mit der vordergründigen Gleichberechtigung aller Bildelemente suggeriert dieser “Alles-ist-scharf- Blick”, alles sei gleich wichtig. Was natürlich Humbug ist.

Den gesamten Artikel finden Sie in der PHOTOGRAPHIE-ePaper-Ausgabe 09/2018.

Fotos: Norman Konrad
Autor: Peter Schuffelen