Festival La Gacilly-Baden Photo 2022

Feiern unter freiem Himmel

Das größte Fotofestival Europas kommt zum vierten Mal nach Baden bei Wien. Vom 9. Juni bis zum 16. Oktober steht der Kurort ganz unter dem Zeichen der Fotografie im öffentlichen Raum über eine Länge von sieben Kilometern. Das Leben in Nordeuropa steht im Zentrum aller Ausstellungen mit namhaften Künstlern.  282.607 Besucher zählten die Organisatoren Lois und Silvia Lammerhuber sowie Florence Drouhet 2021. Diesmal sollten es nicht weniger werden …

NORDWÄRTS! ist eine Gelegenheit die oft wenig bekannte schöpferische Kraft von Künstlern aus Nordeuropa hervorzuheben, die seit den Anfängen der Fotografie eine fast fleischliche Verbindung mit der Rauheit ihrer Heimat aufrechterhalten haben. Für die Bewohner Dänemarks, Finnlands, Islands, Norwegens und Schwedens sind die Einsamkeit und die wilde Natur ein wesentlicher Bestandteil ihrer Beziehung zur Welt. Sie beuten die Früchte der Natur nicht blindlings aus, sondern versuchen zu verstehen, wie alles funktioniert, und beobachten es mit einem fürsorglichen Auge. Ihr Wissen und ihr ständiger Wunsch, mehr über Flora und Fauna zu erfahren, führen dazu, dass sie sich sehr für die Achtung der Natur einsetzen.

Es ist kein Wunder, dass die Länder des Nordens mit ihrer unverschämten wirtschaftlichen Gesundheit zu den angenehmsten Nationen gehören, in denen man leben kann. Regelmäßig von Frost und Kälte gelähmt und an die freie Natur gewöhnt, haben sie eine jahrhundertealte Tradition des politischen Konsenses, der Ablehnung von Konflikten und der gesellschaftlichen Entwicklung auf der Grundlage der strikten Erhaltung der natürlichen Ressourcen entwickelt.

In Kopenhagen fahren 40 % der Einwohner mit dem Fahrrad zur Arbeit, in Stockholm fahren die Busse mit Bioethanol, und in Reykjavik ist geothermische Energie heute gang und gäbe. Einige werden das Erbe des Luthertums sehen, andere die entfernteren Spuren der Wikingertradition. Ohne einen gewissen Anpassungswillen kann man im hohen Norden nicht überleben. In Ländern, in denen Wärme und Licht in sechs von zwölf Monaten lebensnotwendig sind, ist die Umwelt eine entscheidende Herausforderung. Deshalb ist es verständlich, dass die schwedische Teenagerin Greta Thunberg zum neuen Gesicht des Klimawandels für die Jugend der Welt geworden ist: Sie weiß, dass chmelzende Gletscher und Meereis nicht weit von zu Hause entfernt sind und dass es sich dabei nicht um eine boreale Illusion handelt. Wenn Ihre Kultur von den Auswirkungen der globalen Erwärmung bedroht ist, ist es Ihre Pflicht, die Öffentlichkeit zu alarmieren.

Mit ihren unterschiedlichen fotografischen Ansätzen – einige erforschen die Härte ihrer Umwelt, andere die Komplexität unserer modernen Entwicklungen – teilen die ausstellenden Fotografen aus dem Hohen Norden eine Sichtweise, die mit Poesie vermischt ist, gelegentlich einen Hauch von Surrealismus aufweist, aber immer darauf bedacht ist, das Bewusstsein für ein besseres Verständnis der Welt von morgen zu schärfen. Auf ihre Weise sind sie die künstlerischen Wächter einer positiven Zivilisation.

Künstler:innen, die uns Skandinavien auf ganz besondere Weise näher bringen sind: Sune Jonsson, Pentti Sammallahti, Tiina Itkonen, Ragnar Axelsson, Tine Poppe, Sanna Kannisto, Erik Johansson, Helena Blomquist, Jonas Bendiksen, Jonathan Nächstrand und Olivier Morin.

Im zweite Erzählstrang des Festivals beleuchten zwei Ausnahmefotografen den Zustand unserer Umwelt: „This empty World“ von Nick Brandt ist eine eindrucksvolle Illustration einer Welt, in der für Tiere, die von der zügellosen menschlichen Entwicklung überwältigt werden, kaum noch Platz zum Überleben ist. Es ist ein Werk, das uns Fragen zur Zukunft unserer Welt stellt. Und Mathias Depardon zeigt mit „Die Tränen des Tigris“, dass der Garten Eden existiert – und in Gefahr ist. Das alte Mesopotamien verkörpert wahrhaftig den unermesslichen Reichtum der Wiege der alten sumerischen und assyrischen Zivilisationen. Das am Zusammenfluss von Tigris und Euphrat gelegene größte
Feuchtgebietsökosystem Westeurasiens, das 2016 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde, droht heute auszutrocknen.

Mit Umwelt-relevanten Themen beschäftigen sich darüber hinaus Imane Djamil, Florence Goupil, Brieuc Weulersse, Florence Joubert und Aglaé Bory. Abgerundet wird das Programm 2022 von den Arbeiten Österreichischer Fotografinnen von Weltrang:
Inge Morath, Christine de Grancy und Verena Andrea Prenner – sowie einer fotografischen Würdigung zu „100 Jahre Niederösterreich“.

www.festival-lagacilly-Baden.photo