Das berühmteste Foto der Welt

Die Story dahinter

„Berühmteste Fotografie der Welt“ oder auch „meistreproduziertes fotografisches Bild“: Institutionen wie das Maryland Institute of Art oder das Victoria and Albert Museum in London überbieten sich mit Superlativen angesichts der hier vorgestellten Fotografie. Ob die Einordnungen zutreffen, ist schwer nachzuprüfen, Fakt ist aber: Das unter dem Namen „Guerrillero Heroico“ („heldenhafter Guerillakämpfer“) bekannt gewordene Porträt Ernesto Che Guevaras ist allgegenwärtig: auf Postern, Fahnen, Tassen, Wand- und Armbanduhren, Mauspads, Sturmfeuerzeugen, allen erdenklichen Kleidungsstücken und Körperteilen (unter anderem auf dem Oberarm von Maradona und den Rippen von Mike Tyson).

Es ist die kulturelle Abkürzung für Rebellion schlechthin und zugleich ein modisches Ornament, auf dem ein ganzes Fashion-Subgenre gründet: der „Che Chic“. Nicht zuletzt ist das vorläufig endgültige Icon der Revolution auch eine Marke, die von Lateinamerika und den südafrikanischen Townships über Nordirland und das Baskenland bis hin zu Boutiquen in London, Paris oder Rom funktioniert.

Aufgenommen hat den vor Kurzem 60 Jahre alt gewordenen Jahrhundert-Shot der Kubaner Alberto Díaz Gutiérrez (1928–2001). Der unter dem Künstlernamen Alberto Korda bekannte Fotograf wäre wohl steinreich geworden, hätte er je Lizenzgebühren verlangt. Als überzeugter Unterstützer der kubanischen Revolution nahm er jedoch Zeit seines Lebens Abstand von dieser Idee: Die maximale Verbreitung des Bildes und der damit transportierten Idee einer gerechten Welt schien ihm Lohn genug.

Die ganze Geschichte geht wie folgt: Am 4. März 1960 explodiert im Hafen von Havanna ein Frachter, mehr als 100 Menschen sterben. Einen Tag später spricht Staatspräsident Fidel Castro während einer Trauerkundgebung; unter den Gästen sind auch Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Korda, der bereits vor dem Sieg der Revolution (1959) Erfolge als Werbe- und Modefotograf feierte und inzwischen Castros persönlicher Fotograf ist, hält das Ereignis fest. Che selbst, zu diesem Zeitpunkt Industrieminister und wie Korda Anfang 30, besucht die Zeremonie nur kurz. Als er mit einem Blick zwischen Trauer und Entschlossenheit für einen Augenblick auf der Tribüne steht, eingerahmt von einer Palme und einem argentinischen Guerillero, drückt Korda auf den Auslöser seiner Leica M2.

Ironie der Geschichte: Anfangs deutet nichts darauf hin, dass „Guerrillero Heroico“ zur weltweiten Ikone werden würde – in den ersten Jahren nach seiner Entstehung ist es nur wenige Male in kleineren kubanischen Publikationen zu sehen. Anders als Korda erkennt der Herausgeber der Tageszeitung Revolución das ikonische Potenzial der Aufnahme nämlich nicht: Er veröffentlicht lediglich Aufnahmen von Castro, Sartre und de Beauvoir und schickt das Che-Porträt an den Fotografen zurück. Doch Korda glaubt weiter an sein Bild, fertigt eine Ausschnittvergrößerung an, die sich ganz auf Che konzentriert, und hängt es an die Wand seines Studios.

1967, kurz vor Ches Ermordung in Bolivien, besucht der italienische Verleger und spätere linksextreme Untergrundkämpfer Giangiacomo Feltrinelli Kordas Atelier. Er ist auf der Suche nach einem Titelbild für die von ihm geplante Veröffentlichung von Ches „bolivianischem Tagebuch“, in dem der Comandante seinen letzten Kampf festhielt. Korda händigt dem Italiener zwei Abzüge aus – unentgeltlich. Zurück in Mailand lässt Feltrinelli Tausende Poster drucken und veröffentlicht das Tagebuch mit dem Bild auf dem Cover. Im selben Jahr erscheint es auf dem Titel von Paris Match.

Weltberühmt wird „Guerrillero Heroico“ allerdings erst dank Jim Fitzpatrick. Der irische Künstler und Kuba-Sympathisant entwirft 1968 eine zweifarbige Pop-Art-Version des Bildes und bringt sie kostenlos in Umlauf. Fitzpatricks Interpretation ist unter anderem während der Studentenunruhen 1968 allgegenwärtig – und ziert seit dem Tod des inzwischen als Märtyrer verehrten Revolutionärs auch die Fassaden zahlloser kubanischer Gebäude. Korda selbst wusste zwar um das Potenzial seines Lieblingsbildes – was dessen Entstehung anging, gab er sich aber bescheiden. „Dieses Foto ist nicht das Produkt von Wissen oder Technik. Es war wirklich Zufall, reines Glück“, soll er gesagt haben. Und: „Vergiss die Kamera, vergiss die Objektive, vergiss das alles. Das beste Bild kannst du mit jeder Vier-Dollar-Kamera machen.“