Cindy Sherman im Kunstforum Wien

Über Identität und Transformation

Das Phänomen des „Selfies“ gibt es nicht erst seit in den 2000-er Jahren die sozialen Netzwerke entstanden sind. Schon in den siebziger Jahren widmete sich die amerikanische Fotografin Cindy Sherman in einer Reihe inszenierter Selbstporträts dem Thema Identität und trat damit ungeahnt einen Prozess in Gang, der ein Umdenken in der (Kunst)Welt mit sich brachte.

Bis vor nicht allzu langer Zeit quasi unvorstellbar, ist es heute Normalität geworden sich das Smartphone vors Gesicht zu halten, um eine Aufnahme von sich selbst zu machen. Anschließend bearbeiten, einen Filter darüber legen, den Bildausschnitt wählen, einen Smiley hinzufügen und nach ein paar weiteren wenigen Klicks ist man bereit sich der Welt über Facebook, Instagram oder Snapchat zu präsentieren. Berechtigt ist die Frage, wie viel von der eigenen Person in einem oft nicht ganz so spontanen, sondern gut durchdachten und perfekt in Szene gesetzten Schnappschuss wirklich noch steckt. Die Antwort lautet: nicht viel, denn die eigene Identität kann man ganz einfach nach Belieben gestalten.

Der Frage nach Identität und deren Konstruktion ist Cindy Sherman bereits in den siebziger Jahren als eine der ersten ihres Fachs nachgegangen. In ihren Fotografien zeigt sich die amerikanische Fotografin in verschiedenen Outfits, stark geschminkt, manchmal geradezu entstellt und in teils affektierter Pose. Die Fotografin verfolgt das Ziel mit einem Schmunzeln, gleichzeitig mit durchaus nachdrücklicher Ernsthaftigkeit zum Hinterfragen von Identitäten, wie sie sich in der überwältigenden Bilderflut von Fernsehen, Filmen und Magazinen präsentieren, anzuregen. In ihrer ab 1977 entstandenen Serie „Untitled Film Stills“ widmet sich Sherman dem Bruch zwischen authentischer Selbstdarstellung und Inszenierung, indem sie die Betrachtenden mit dem Paradox einer Verweigerungsstrategie konfrontiert. Ihr Werk ist für die damalige Zeit ungewöhnlich, aufwühlend und erhält viel Aufmerksamkeit. Die exzentrische Künstlerin polarisiert und motiviert auch andere Künstlerinnen es ihr gleich zu tun. Die Frauenbewegung, die an die Bewegungen in der Kunst gebunden etwa zeitgleich stattfindet, sorgt dafür, dass sich gesellschaftliche Normen aufzulösen beginnen und kulturelle Gewissheiten neu überdacht werden. Themen wie Identität, Sexualität und Rollenspiel werden in der Kunst ab sofort zum Bildthema. So bringt Cindy Sherman unter anderem in Geschlechterfragen schon damals einen Stein ins Rollen. Gleichzeitig inspiriert die Künstlerin nachfolgende Generationen dazu, die Thematik Identität und Transformation in diversen Medien zu erkunden, ohne dabei die selbst einmal erarbeiteten künstlerischen Verfahrensweisen zu verändern.

Die polarisierenden Werke der Künstlerin werden nun in der Ausstellung „The Cindy Sherman Effect – Identität und Transformation in der zeitgenössischen Kunst“ zwischen dem 29. Januar und bis zum 21. Juni im Bank Austria Kunstforum in Wien zu sehen sein. Wie schon der Titel verrät, soll es aber nicht ausschließlich um die Werke der Fotografin gehen, sondern im Zuge einer Gegenüberstellung in erster Linie Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler herangezogen werden. In ingesamt 80 Oeuvres werden so kulturelle, geschlechtsspezifische und sexuelle Stereotypen untersucht und über Konstruktion und Fiktion von Identität nachgedacht.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden sich auf der Seite des Kunstforums Wien.

www.kunstforumwien.at