Lohnt der Einsatz?
Was für ein albernes Spielchen, dachte ich. „Wenn Sie nur ein Objektiv zum Shooting mitnehmen dürften …“ Unzählige Male online gelesen, aber nie an der vollen Fototasche gezweifelt. Und dann holt einen das Gedankenspiel am Samstagmorgen ein. Die Kamera nur umgehängt, damit sie nicht im Auto liegen bleibt, und kurz bei der Feuerwehr auf einen Kaffee reingeschaut. Aus dem Kaffee wird nichts. „Brand 3 – Menschenleben in Gefahr.“ Während auf dem Sitz gegenüber die Jungs ihre Pressluftatmer anlegen, stellt man fest: Ich bin auf dem Weg zu einem fotojournalistisch dicken Ding. Ich habe nur ein Objektiv dabei. Und albern ist hier gerade gar nichts. „Bestätigte Rauchentwicklung“, heißt es über Funk. „Personen noch im Gebäude.“
Einsatz-Dokumentation für eine Berufsfeuerwehr zu betreiben, verlangt immer Flexibilität. Doch oft kann man dem Unvorhersehbaren mit Erfahrung und Equipment begegnen. Jetzt heißt es: Minimales Equipment, aber das auf höchstem Niveau. Die EOS R5 mit dem RF 2/28-70 mm muss es rausreißen. Als Canon das Objektiv vor rund sechs Jahren vorgestellt hat, war es eine Sensation. Ein derart lichtstarkes Zoom war ein Zeichen der Stärke, ein Pflock, den Canon zum Start seines spiegellosen R-Systems einrammte. Diese Sonderstellung hat Sony letzten Winter geknackt, seitdem gibt es auch ein G Master mit f/2 und 28-70 mm Brennweite. Es ist genauso lang wie das Canon-Objektiv, wiegt aber über 500 g weniger. Da zieht die EOS schon merklich mehr an der Schulter.
Die Psychologie der Hochleistung
Wer jedoch Enthusiast der Offenblende ist, dürfte derart triviale Dinge hinten anstellen. Sonst könnte man ja am E- oder RF-Mount jeweils zum professionellen 2,8/24-70 mm greifen: Geld und Gewicht gespart, Weitwinkel gewonnen. Und die eine Blende Unterschied kompensiert der Bildstabilisator des 2,8ers locker. In beiden Systemen müssen die f/2-Zooms allein mit der Anti-Wackel- Technik des Sensors auskommen. Bokeh und kürzere Belichtungszeiten bleiben dagegen ihre Spezialität, auch der AF profitiert vom Plus an Licht.
Wer nachts mit eiligen Rettern unterwegs ist, weiß es zu schätzen, wenn die Belichtungszeiten kürzer bleiben. Dazu kommt: Psychologie. Diese massiven Boliden mit ihrer hochgezüchteten optischen Leistung geben Sicherheit. Eine Sicherheit „nach Papierform“, die die Praxis bestätigt: Wenn ein Objektiv den Fotoeinsatz beim Dachstuhlbrand retten kann, dann dieses. Das klappt mit Canons Equipment derart gut, dass beim Test des gleichen Sony-Zooms die Festbrennweiten häufiger in der Tasche bleiben – ganz freiwillig.
Fazit
Man kann diese Objektive exzellent einsetzen und großartige Bilder damit einfangen, weil sie auf höchstem Niveau arbeiten. Aber muss man sie deshalb für gut 3.500 Euro kaufen? Das bleibt auch nach dem feurigen Praxistest eine – nun ja – brennende Frage. Wenn Geld nachrangig ist, dann ist es eine Freude, eines dieser f/2-Zooms in seiner Fototasche zu haben. Viele werden sich jedoch fragen müssen: Wenn mich Bokeh fasziniert, sollte ich dann nicht zu f/1,4 greifen? Wenn mich Flexibilität reizt, steht mir dann ein 24-70 mm mit Bildstabilisator womöglich besser?
Für Canon-Fotografen gäbe es sogar noch das 2,8/24-105 mm als Option … Ohne Zweifel sind die lichtstarken Zooms eine sichere Bank, um diversen Motiven zu begegnen – und damit eine kluge Antwort, wenn man nach „dem einen“ Objektiv fragt, das man mitnehmen darf. Die berühmte eierlegende Wollmilchsau sind jedoch auch diese beiden Zooms nicht. Im Gegenteil: Ein 2/28-70 mm muss man wollen. Wer Faszination, Budget und den Wunsch nach Flexibilität übereinbringt, kann allerdings bedenkenlos zugreifen. Diese Zooms sind Arbeitstiere de luxe.
Text & Bilder: Sebastian Drolshagen